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ihm nachrühmt, daß er nicht um schnöden Gewinnes willen, sondern aus Nächstenliebe und durch sein Gerechtigkeitsgefühl getrieben gegen die Judenverfolgungen sein gewichtiges Wort einlegte. Wir haben auch von der Dankbarkeit der Juden gegen den höchstseligen Papst Pius IX. gesprochen, die sich nicht bloß in Worten, sondern auch in Thaten kundgegeben hat. Wir wollen nun noch beifügen, wie die dankbare Gesinnung der Juden gegen den Apostolischen Stuhl und den katholischen Klerus auch in einer öffentlichen Versammlung ihren feierlichen Ausdruck gefunden hat.

Kaiser Napoleon I. wollte, wie er die kirchenpolitischen Verhältnisse der katholischen Kirche in seinem Reiche durch eine Übereinkunft mit dem Apostolischen Stuhle geordnet hatte, auch die religiös-politischen Verhältnisse der Juden in Frankreich ordnen, und berief zu diesem Zwecke die Rabbiner Frankreichs am 30. Oktober 1806 zu einer Synode – der große Sanhedrin genannt – nach Paris. In dieser Synode war es, wo die Gerechtigkeit und Liebe, die der Apostolische Stuhl und der katholische Klerus gegen die Juden stets an den Tag gelegt haben, eine glänzende Anerkennung fanden.

In der Sitzung des Sanhedrins am 5. Februar 1807 hielt der Abgeordnete Isaak Samuel Avigdor von Lyon eine Rede, in welcher er durch zahlreiche Beispiele aus dem Verlaufe der christlichen Jahrhunderte das gerechte und liebevolle Verhalten des Apostolischen Stuhles und des katholischen Klerus gegen die Juden bestätigte. „Um die Mitte des siebenten Jahrhunderts,“ so sprach der Redner, „verteidigte Gregor der Große die Juden, und nahm sie in der ganzen christlichen Welt in Schutz. Im zehnten Jahrhundert widerstanden die spanischen Bischöfe mit der größten Entschiedenheit dem Pöbel, der die Juden niedermetzeln wollte, und Papst Alexander II. beglückwünschte sie aufs anerkennendste wegen dieses weisen Verhaltens. Im elften Jahrhundert wurden die in den Diöcesen von Uzés und Clermont in überaus großer Zahl vorhandenen Juden durch die Bischöfe mächtig beschützt. Der heilige Bernhard verteidigte sie im zwölften Jahrhundert gegen die Wut der Kreuzfahrer. Ebenso wurden sie von Innocenz II. und Alexander III. beschützt. Im dreizehnten Jahrhundert schützte sie Gregor IX. in England, Spanien und Frankreich gegen großes Unheil, das ihnen drohte; er verbot unter Strafe der Exkommunikation, Gewissenszwang gegen sie anzuwenden oder ihre Feste zu stören. Klemens V. that noch mehr; er beschützte sie nicht bloß, sondern erleichterte ihnen auch die Mittel, sich zu unterrichten. Klemens VI. gewährte ihnen zu einer Zeit, da man sie im ganzen übrigen Europa verfolgte, eine Freistätte zu Avignon. Gegen die Mitte des nämlichen Jahrhunderts hinderten es die Bischöfe von Speier, daß sich die Schuldner der Juden, unter dem so oft wiederholten Vorwande des Wuchers, gewaltsam ihren Verpflichtungen entzogen. In den folgenden Jahrhunderten schrieb Nikolaus II. an die – spanische – Inquisition, um sie zu hindern, die Juden zur Annahme des Christentums zu zwingen. Klemens XIII. beruhigte die jüdischen Hausväter, die das Schicksal ihrer Kinder bekümmerte, welche man oft aus den Armen der Mütter gerissen. Man könnte leicht noch eine ungeheure Menge solcher Werte der Liebe anführen, die von seiten Geistlicher, welche ihre Pflichten als Menschen

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Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/76&oldid=- (Version vom 31.7.2018)