gegeben zu haben, und einzelne von ihnen werden besonders gerühmt, wie Cariath Sepher, die Stadt der Wissenschaft, zu josuas zeiten (Jos. 15.), und Abela, die Stadt des guten Rates, zur Zeit des Königs David. Von dieser heißt es: „Es war ein Sprichwort: die da fragen wollen, die fragen zu Abela, und also richten sie ihre Sache gut.“ (II. Reg. 18.)
Da es für den Israeliten keine erhabenere, gottgefälligere Beschäftigung geben konnte, als das Gesetz zu betrachten oder im Gesetze zu forschen, so konnte ein König sich ein großes Verdienst erwerben, wenn er für die Lehrhäuser und die Bedürfnisse derselben sorgte. Das erstaunliche Wunder, welches Gott zur Errettung des Königs Ezechias und Jerusalems aus der Hand des Königs Sennacherib wirkte, indem er die 185,000 Mann starke assyrische Armee in Einer Nacht vernichtete, hatte Gott, wie der Talmud aus dem Propheten Isaias (10, 27.) beweist, wegen des Öls gewirkt, das der fromme König Ezechias in die Lehrhäuser zu schicken pflegte, damit daselbst beständig auch während der Nacht das Gesetz betrachtet werden konnte.
Aus diesen Lehrhäusern stammen die Aussprüche der Gesetzkundigen, die in der Gemara aufbewahrt sind.
Es ist ein Sprichwort bei den Juden: „Die Thora ist Wasser, die Mischna Wein, die Gemara Würzwein.“ Die Juden wollen damit sagen, daß das Gesetz, wenn man es ohne Zuhilfenahme der Überlieferungen betrachtet, den Geist viel weniger anspricht, als wenn es durch die Überlieferungen erläutert und erklärt wird. Und der Genuß, den der Geist bei der Betrachtung des Gesetzes empfindet, wird sich immer mehr steigern, je tiefer er durch die Erklärung und Auslegung des Gesetzes in dasselbe eindringt.
Ich glaube, daß dieses jüdische Sprichwort nicht ohne Berechtigung ist. Wir Katholiken sind vollkommen mit unserer Mutter, der Kirche, darin einverstanden, daß sie wünscht und verlangt, man solle die heilige Schrift nur in solchen Ausgaben lesen, die mit guten Erklärungen und Erläuterungen versehen sind; wir sind fest überzeugt, daß die heilige Schrift des Alten und des Neuen Testaments an und für sich ein toter Buchstabe ist, der sich nicht selbst lebendig äußern, sich nicht selbst erklären kann. Wir halten die mündliche Überlieferung oder Erblehre zum rechten Verständnisse der heiligen Schrift für unbedingt notwendig. Auch wir können darum mit vollem Rechte sagen: Wer die heilige Schrift ohne Erklärung liest, hat den Geschmack, als wenn er Wasser trinke; wer die heilige Schrift liest mit den Erklärungen durch die Erblehre, wie sie in den Schriften der heiligen Väter niedergelegt ist, glaubt Wein zu trinken; wer aber nebstdem hört oder liest, wie ein erleuchteter Gottesgelehrter die heilige Schrift und die Erblehre auf unsere Zeit und auf unsere Verhältnisse anwendet, und uns zeigt, wie wir nach derselben unser Leben auf gottgefällige Weise einzurichten haben, wird den Geschmack haben, als wenn er Würzwein trinke. Damit wollen wir aber keineswegs die Aussprüche von Schriftauslegern oder die Schriften der heiligen Väter über die heilige Schrift erheben, ebensowenig als auch der eingefleischteste Talmudjude die Mischna und die Gemara über die Thora stellt.
In der Erklärung des heiligen Evangeliums nach Matthäus
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/81&oldid=- (Version vom 31.7.2018)