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Sie hatte etwa die Mitte der Brücke, also die platte Spitze des Pfeilers erreicht, als wir einen ausgewachsenen Leopard bemerkten, der in beinahe gemächlichen Sprüngen, – so, als wüßte er, daß ihm die Beute nicht entgehen könnte, hinter dem Weibe dreinlief. Erst als das Raubtier nun ebenfalls über die Brücke hinwegsetzte, riß Harst die Pistole aus der Tasche und folgte der Bestie. Ich blieb dicht hinter ihm. Blindlings rannte ich weiter; sah, wie Harst von der Felszunge, die über die Pfeilerplattform ein Stück hinwegragte, auf den Pfeiler hinabsprang; war nun selbst am Ende der Felszunge angelangt.

Ich wollte mich nach hinten zurückwerfen. Ich hatte jedoch bereits das Gleichgewicht verloren. Ich – stürzte hinab in das Felsloch, das plötzlich dort gähnte, wo die Pfeilerplattform fraglos noch soeben, als das Negerweib und der Leopard diese Stelle passiert hatten, einen sicheren Absprung gestattet hatte.

Im Fallen sah ich noch, daß Harst vor mir in der Dunkelheit dieses Schachtes verschwand. Dann prallte ich mit der Stirn gegen eine Felskante und wurde bewußtlos.

Zum Glück war meine Verletzung nicht schwer. Ich kam bald wieder zu mir. Als ich die Augen öffnete, traf mich sofort ein greller Lichtschein. Er rührte von Harsts Taschenlampe her. Sofort vernahm ich auch Harsts Stimme:

„Wie geht’s, mein Alter? Du hast Pech gehabt. Zu unserem Empfang war hier eine Streu aus Zweigen, Blättern und Moos bereit. Ich fiel ganz weich.“

Ich hob die schweren Lider abermals. Harst saß neben mir mit untergeschlagen Beinen und – rauchte eine Mirakulum.

„Liege ganz still und erhole Dich erst,“ meinte er. „Du warst immerhin eine halbe Stunde ohne Bewußtsein. – Wo wir uns befinden, weißt Du: im Innern des natürlichen Brückenpfeilers! – Wir kennen jetzt also das Geheimnis der Rätselbrücke und manches andere noch. Wir sind also wirklich den Leuten auf den Leim gegangen. Wer konnte aber auch mit einem solchen Trick rechnen?!“

Mein Kopf schmerzte noch zu sehr, als daß ich diese Sätze Harsts sofort hätte verarbeiten können. Ich verhielt mich regungslos und zergliederte ganz langsam Harsts Worte, fand darin schließlich so viel Unklares, daß ich leise fragte:

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Die Rätselbrücke. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_R%C3%A4tselbr%C3%BCcke.pdf/21&oldid=- (Version vom 31.7.2018)