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„Was meinst Du mit – Trick?“

„Oh – die Negerin und den zahmen Jagdleopard, der das Weib so ohne besonderen Eifer verfolgte. – Begreifst Du nun, wie raffiniert die Bande es angestellt hat, meine Vorsicht zu schanden zu machen?!“

Ich schaute ihn an und sah, daß er lächelnd den Rauch der Zigarette von sich blies.

„Du – Du lachst – in einer solchen Lage!?“ meinte ich ganz verdutzt.

„Gewiß. Nichts ist scheußlicher, als das Gefühl, einer Gefahr gegenüberzustehen und doch nicht eründen zu können, wie sie sich äußern wird. So erging es mir vor der Brücke. Nun weiß ich, was Palperlon und Konsorten uns zugedacht hatten. Nun – sehe ich in allem vollständig klar.“ Eine kleine Pause. Dann ganz leise: „Mein lieber Schraut, Palperlon ist wirklich ein Mensch, der eine Verbrecherschule leiten könnte, eine Schule für Leute, die Gauner besseren Stils werden wollen. Zuweilen ist es beinahe ein geistiger Genuß, den Feinheiten seiner Pläne nachzuspüren.“


Ein neues Geräusch dicht neben mir ließ mich abermals, nach Stunden freilich erst, geblendet in den Lichtkegel der Taschenlampe blinzeln. Sofort Harsts Stimme über mir: „Erschrick nicht, wenn ich jetzt um Hilfe brülle.“ Die Lampe erlosch. „Palperlons Bande nähert sich der Brücke,“ fügte Harst hinzu.

Ich war jetzt wieder völlig im Besitz meines Denkvermögens.

„Hast Du denn gehört, daß Leute kommen?“ fragte ich, da mir dies bei dem Toben des reißenden Stromes sehr unwahrscheinlich dünkte.

„Gesehen habe ich sie, mein Alter. Es sind ein Europäer, den Du der Beschreibung nach kennst, und zwei Neger. – Hier hast Du Deinen Taschenspiegel zurück. Ich erlaubte mir, ihn Dir vorhin zu stehlen. Ich bilde mir etwas darauf ein, daß Du nicht erwachtest, als ich Dir in die Tasche faßte. Mit Hilfe Deines und meines Taschenspiegels habe ich mir so eine Art Fensterspion konstruiert gehabt, den ich oben an einem Stock zu der breitesten Spalte zwischen Falltür und Felsen hindurchschob. – Alles trifft ein, wie ich’s mir dachte. Du wirst Deine Freude haben, mit welcher scheinheiligen Biederkeit

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Walther Kabel: Die Rätselbrücke. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_R%C3%A4tselbr%C3%BCcke.pdf/22&oldid=- (Version vom 31.7.2018)