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Harst zeigte mir diese dick gedruckte Überschrift eines anderthalb Spalten langen Artikels, faltete die Zeitung zu meinem Erstaunen wieder zusammen und sagte achselzuckend:

„Es lohnt nicht, das Geschreibsel zu lesen. Es steht ja doch nur Unsinn drin. Die Überschrift beweist das.“

Ich verstand ihn nicht.

„Nur Unsinn? Was heißt das, Harald?“

„Lieber Alter, wenn den Stockholmern da in der dicken Überschrift vorgeredet wird, Palperlon sei hier verhaftet worden, so ist das eben Blech!“

Ich war – wohl mit Recht – starr. – Harst steckte sich jetzt mit aller Gemütsruhe eine Zigarette an und meinte, bevor ich noch etwas fragen konnte:

„Lieber Schraut, – glaubst Du denn wirklich, wir hätten in der verflossenen Nacht Palperlon erwischt?“

„Allerdings,“ erklärte ich kleinlaut, denn ich merkte schon, daß hier irgend etwas nicht in Ordnung war.

„Na also,“ sagte Harald und blieb vor mir stehen. „Mein Alter, – gesehen hast Du sie! Aber wieder nur mit den Augen, mir denen Du auch vorhin genußfroh Deine Scheibe Schinken betrachtetest. – Soll ich Dir abermals vorhalten, daß man als Detektiv unbedingt das Hauptgewicht auf das geistige Sehen legen muß?! Was nützt es, gute Augen zu haben, wenn nicht der Verstand gleichzeitig diese Bilder, die die Sehnerven uns vermitteln, mitprüft?! – Kurz und gut: die Narbe an dem Mittelfinger der weiblichen Person, die ganz nett ohne Schleier ausschaute und die mit gut nachgeahmter, sonorer Männerstimme dann zugab, Palperlon zu sein, – diese Narbe war kaum sechs Wochen alt, wie ich sofort bemerkte. Mithin war’s nicht Palperlon, sondern jemand, den er zu dem mit Blomberg in der vergangenen Nacht vereinbarten Stelldichein geschickt hatte. Jemand! Und – es war ein Weib, lieber Schraut, kein verkleideter Mann. Es war ein Weib, das ich auf 20–25 Jahre einschätze, weiter auf eine Deutsche, denn ihr Schwedisch klang genau so „germanisch“ wie das meine.“

Das Telephon auf dem Schreibtisch an der anderen Wand schrillte unaufdringlich.

Harst ging hin, rief mir zu: „Wetten, daß es Brodersen ist? – Jetzt werden die Herren entdeckt haben, daß James

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Walther Kabel: Die Rätselbrücke. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_R%C3%A4tselbr%C3%BCcke.pdf/4&oldid=- (Version vom 31.7.2018)