der Masse, der Energie usw. Physik, Mathematik und positivistische Erkenntnistheorie konvergieren zu derselben Naturauffassung, ja Weltanschauung. Benutzung des vierdimensionalen Raums zur Darstellung der Relativitätstheorie. — 29. Die wichtigste erkenntnistheoretische Frage zur Relativitätstheorie. — 30. Antwort. — 31. Missverständnis hinsichtlich der synchronen Messung. Das Ehrenfestsche Paradoxon. — 32. Die Relativitätstheorie hat von vornherein auch mechanische Bedeutung. Ein Mangel der Einstein-Minkowskischen Lehre. Der Begriff des Naturgesetzes. — 33. Ausblick auf die künftige Entwicklung der theoretischen Physik. Völlige Befreiung von der Platonisch-Kantischen Auffassung der Mathematik und Naturwissenschaft. — 34. Die Lorentz-Kontraktion ist für den ‚ruhenden‘ Beobachter kein ‚Sinnenschein‘, sondern ‚Wirklichkeit‘. — 35. An der Grenze zweier Weltanschauungen. Vergleich der Lorentz-Kontraktion mit den perspektivischen Veränderungen im Sehraum. — 36. Perspektive ‚bewegter‘ Körper. Noch ein Paradoxon. — 37. Unmöglichkeit, auf Grund der Theorie über eine obere Grenze von Körpergeschwindigkeiten zu verfügen. — 38. Eine zweite Grenze der bis jetzt vorliegenden Theorie liegt in der Konstanz der Richtung und des Wertes der Geschwindigkeit der berechtigten Bezugssysteme. — 39. Die Relativitätstheorie im Unterricht. — 40. Literaturangaben
1. Die Relativitätstheorie der heutigen Physik ist für die allmähliche Bildung einer haltbaren, nach allen Richtungen wohl begründeten Weltanschauung von grosser Bedeutung: deswegen, weil sie in der Hauptlinie der Entwicklung des bisherigen menschlichen Denkens gelegen ist, d. h. in der Linie, die von der Entwicklung des Substanzbegriffs beschrieben wird. In der Hauptsache hat diese Entwicklung, wenn man von dem von E. Mach und R. Avenarius begründeten relativistischen Positivismus noch absieht, bis heute zu zwei Anschauungen geführt. Nach der einen — sie wird in mancherlei Formen von der grossen Mehrzahl der Naturforscher und überhaupt der naturwissenschaftlich Gebildeten vertreten — besteht die Welt aus zwei eng verknüpften Wesenheiten, dem ‚Physischen‘ und dem ‚Psychischen‘. Nach der anderen — ihr folgen die meisten Erkenntnistheoretiker, Psychologen und überhaupt im besonderen philosophisch Gebildeten — gibt es zuletzt nur ‚Psychisches‘; das ‚Physische‘ ist dann entweder nur ein Teil des ‚Psychischen‘, oder es ist nur Erschlossenes und niemals Erfahrbares, hinter den ‚Erscheinungen‘ Verborgenes.
Die Geschichte des europäischen wissenschaftlichen Denkens begann bei Thales mit einer einzigen, undifferenzierten Substanz, führte von Platon bis Descartes zu zwei scharf geschiedenen Substanzen, der materiellen und der geistigen, mit Prävalenz der letzteren und suchte seitdem jenen Gegensatz zu mildern oder ganz aufzuheben. Am weitesten vorgeschritten auf diesem psychologisch wohlbegreiflichen Wege ist von den beiden genannten Hauptrichtungen also die idealistische, für die die Welt ihrem innersten Wesen nach psychischer Natur ist. Dass diese Anschauung aber nicht haltbar und wie es gelungen ist, sie zu überwinden und die letzten Reste der alten Substanzvorstellungen völlig zu
Joseph Petzoldt: Die Relativitätstheorie der Physik. , Berlin 1914, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Relativit%C3%A4tstheorie_der_Physik.djvu/2&oldid=- (Version vom 12.6.2024)