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Meine kurzen Ausführungen werden gezeigt haben, in wie weit dem Siegelwerk Posses noch einige nicht ganz unerhebliche Mängel anhaften, und in wie weit nicht alle Wünsche und Erwartungen befriedigt worden sind. Es wird ihnen aber auch zu entnehmen sein, dass diese Mängel ihre Ursache und ihre Entschuldigung finden, einmal in der Grundlage, auf der sich das Werk aufbaut, dann aber auch in den ganz bedeutenden Schwierigkeiten, die sich der idealen Erreichung des Zieles entgegenstellen. Ich möchte nicht schliessen, ohne noch einmal hervorgehoben zu haben, dass schon der erste Band dieser gross angelegten und schönen Publikation einen ganz erheblichen Gewinn für die verschiedenen Zweige unserer Wissenschaft bedeutet, und dass dem Herausgeber der lebhafte Dank aller engeren und weiteren Fachgenossen und überhaupt aller derjenigen, die sich mit dem interessanten und noch lange nicht abschliessend behandeltem Gebiet der Siegelkunde beschäftigen, sicher ist.


Brunner irrt, wenn er den Durchmesser beider von ihm zitierten Siegel auf den DD. St. 2817. 2774 mit 8,6 cm angibt; er beträgt tatsächlich nur 8 cm, wie die Abbildung Posses (Taf. 16, 4) nach dem Siegel des D. St. 2817 und ein in meinem Besitz befindlicher Gipsabguss von demjenigen des D. St. 2774 ergeben. – Zweitens erscheint die Goldbulle (Taf. 17, 1. 2) an dem damals unzugänglichen Osnabrücker D. St. 2814a, das übrigens zu 1079, nicht 1078, wie Posse angibt, gehört, als Variante zu den bisher bekannten zwei Exemplaren; ihre Echtheit steht nicht in Frage (vgl. Tangl im Archiv für Urkundenforschung II, 230). – Auch eine Kaisergoldbulle Heinrichs IV. müsste existiert haben, wenn die Dorsualnote saec. XV. (und eine Notiz im Kopialbuch der Verduner Kathedrale) auf der jetzt im Nachlass Clouëts wieder zu Tage gekommenen Urschrift des D. St. 2883 der Wahrheit entspräche. Hat man vorläufig auch noch keinen Grund, die Originalität des Stückes zu bezweifeln[WS 1], so ist doch zu bemerken, dass in der Korroboration von ‘sigilli impressio’ gesprochen wird; für ein aufgedrücktes Siegel ist aber gar kein Platz vorhanden und dementsprechend fehlen auch die notwendigen Einschnitte. Aber auch die Bullierung könnte nur mit Hülfe eines kleinen Loches zwischen den beiden Zeilen der Datierung stattgefunden haben, ohne dass heute Spuren davon zurückgeblieben sind. Dazu kommt, dass die jetzt verlorene Bulle von Calmet, Histoire de Lorraine ed. I. I, preuves col. 484, folgendermassen beschrieben wird: ‘Pendet sigillum aureum cum epigraphe in antica parte, ubi vultus imperatoris: Christe protege Henricum Regem. Ex altera parte, ubi quaedam castelli effigies: Aurea Roma, Roma caput mundi regit orbis fraena rotundi’. Es wäre also, wenn Calmets Beschreibung zutrifft, eine Königsgoldbulle gewesen und diese hätte im Gegensatz zu den Typen Heinrichs IV. das Aussehen einer der Königsbullen Heinrichs III. gehabt. Beide Umstände machen es recht unwahrscheinlich, dass diese Goldbulle und das Diplom ursprünglich zusammengehört haben. Entweder war sie einem verlorenen D. Heinrichs III. für die Verduner Kathedrale entnommen, um das D. St. 2883 zu beglaubigen, oder man hat vielleicht eine Bleibulle Heinrichs III. künstlich vergoldet, um damit denselben Zweck zu erreichen.


  1. Vorlage: bebezweifeln
Empfohlene Zitierweise:
Hans Wibel: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige (Rezension). Hahnsche Buchhandlung, Hannover und Leipzig 1910, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Siegel_der_deutschen_Kaiser_und_K%C3%B6nige_(Rezension).pdf/17&oldid=- (Version vom 31.7.2018)