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Abbildungen oder als abweichende Beurteilung derselben charakterisiert.

Wenn ich recht sehe, so ist Posse von dem Grundsatz ausgegangen, nur echte oder wenigstens von ihm für echt gehaltene Siegel, keinesfalls aber als Fälschungen sicher erkannte Stücke abzubilden, denn es findet sich keine der zahlreichen bekannten Fälschungen unter den Abbildungen, und so wird dieses Prinzip tatsächlich zu Grunde gelegt worden sein[1]. Ob es ganz richtig ist, so zu verfahren, darf man vielleicht bezweifeln, es würde das ja ungefähr damit übereinstimmen, wenn man in den Diplomata-Bänden die unechten Diplome von der Aufnahme durchweg ausgeschlossen hätte. Gerade so wie die falschen Urkunden entbehren aber falsche Siegel – natürlich in den durch Herstellungszeit und Ausführungsart gegebenen Grenzen – nicht alles Interesses. Ist auch der rein historische Wert durch die Tatsache der Unechtheit beschränkt, so bleibt doch der kunst- und kulturgeschichtliche bestehen, ganz abgesehen davon, dass bei der Lückenhaftigkeit unserer Kenntnis in einem falschen Siegel unter Umständen sehr wohl ein untergegangener echter Stempel nachgeahmt worden sein kann.

Wir dürfen also jedenfalls annehmen, dass das, was in diesem Bande an Abbildungen geboten wird, von dem Herausgeber als echt oder wenigstens nicht als falsch angesehen worden ist[2]. Da ist denn doch schon merkwürdig,


  1. Eine Ausnahme bildet vielleicht das angebliche Ringsiegel Ottos I. (Posse Taf. 7, 8), das nach Art und Ueberlieferung längst zu den lebhaftesten Zweifeln Anlass geboten hat.
  2. Der umgekehrte Schluss, dass die nicht in diesem Werke enthaltenen Siegel darum von dem Herausgeber für unecht erklärt seien, trifft natürlich keineswegs immer zu. Darüber wird man indessen im Textband näheres erfahren. Hier möchte ich nur auf einen Fall hinweisen, der vielleicht dem Herausgeber noch unbekannt ist, jedenfalls aber darum Interesse besitzt, weil er als Schulbeispiel verwertet worden ist. Es handelt sich um die Besiegelung zweier Diplome Heinrichs III., Stumpf, Reg. 2365. 2394, beide im Original erhalten, ausgestellt für das Stift St. Simon und Juda zu Goslar und im dortigen Stadtarchiv ruhend, durch ein Siegel K. Friedrichs I. Bisher wurde angenommen, dass damit die Anerkennung ihres Inhalts durch den so viel späteren Herrscher ausgesprochen sein sollte, und als einziges Beispiel dieser Art war der Fall nicht ohne Bedeutung. Allerdings hatte man nicht beachtet, dass der Typus dieses Siegels von dem allgemein bekannten abweicht, und tatsächlich findet er sich nach allem, was mir als Vergleichsmaterial zu Gebote stand, sonst nur noch ein einziges Mal, nämlich auf dem Diplom Friedrichs I. Stumpf, Reg. 4495 für dasselbe Stift. Wie dies Diplom selbst, wofür ich den Nachweis noch zu bringen hoffe, ist aber auch das Siegel eine Fälschung wohl erst aus dem beginnenden 13. Jh., und zwar ist es, wie ich jetzt feststellen zu [253] können glaube, unter Benutzung des echten Kaisersiegels Friedrichs I. und wohl des ersten Kaisersiegels Heinrichs VI. angefertigt worden. Es ist recht plump gearbeitet, und man wird schliessen dürfen, dass der Fälscher, der den Stempel hergestellt, oder doch derjenige, der ihn für das falsche Diplom Friedrichs I. verwendet hat, denselben Stempel benutzte, um die vermutlich verloren gegangenen Siegel an den genannten Diplomen Heinrichs III. zu ersetzen. Damit fallen aber alle aus dieser Tatsache unter der Voraussetzung der Echtheit des Siegels gezogenen Folgerungen hinweg.
Empfohlene Zitierweise:
Hans Wibel: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige (Rezension). Hahnsche Buchhandlung, Hannover und Leipzig 1910, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Siegel_der_deutschen_Kaiser_und_K%C3%B6nige_(Rezension).pdf/7&oldid=- (Version vom 31.7.2018)