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dass er die kürzlich nachgewiesene Fälschung des Stempels und der beiden Abdrücke zweier Siegel Rudolfs von Habsburg, die als verworfene Probesiegel (Taf. 41, 1–4) bezeichnet werden, nicht erkannt hat[1]. Für Fälschungen gleicher Art halte ich aber auch das angeblich verworfene Probesiegel Lothars (Taf. 20, 3)[2], ebenso das angebliche zweite Kaisersiegel Friedrichs I. (Taf. 22, 2) und das dritte Siegel Heinrichs VI. (Taf. 23, 3). Bei den beiden erstgenannten kommt zu der schlechten und doch im wesentlichen einem echten Stempel nachgeahmten Arbeit die ganz unbeglaubigte Ueberlieferung hinzu. Das Letztere konnte ich Dank dem Entgegenkommen des Königl. Bayerischen Allgemeinen Reichsarchivs selbst in Augenschein nehmen und halte es auf Grund der ganz rohen Arbeit ebenfalls für eine Fälschung. Dazu kommt, dass Heinrich sich in der vom 16. Juli Worms datierten und zu 1195 einzureihenden Urkunde (St. 4954) als ‘rex Sicilie’ bezeichnet, da er diese Würde seit einem halben Jahre (Weihnachten 1194) bekleidet, während das Siegel diese Titulatur nicht


können glaube, unter Benutzung des echten Kaisersiegels Friedrichs I. und wohl des ersten Kaisersiegels Heinrichs VI. angefertigt worden. Es ist recht plump gearbeitet, und man wird schliessen dürfen, dass der Fälscher, der den Stempel hergestellt, oder doch derjenige, der ihn für das falsche Diplom Friedrichs I. verwendet hat, denselben Stempel benutzte, um die vermutlich verloren gegangenen Siegel an den genannten Diplomen Heinrichs III. zu ersetzen. Damit fallen aber alle aus dieser Tatsache unter der Voraussetzung der Echtheit des Siegels gezogenen Folgerungen hinweg.

  1. Vgl. Haberditzl in Mitteil. des Oesterr. Instituts XXIX, 630 ff. Auch von dem zweiten sogenannten Probesiegel wird, was Posse nicht vermerkt, der zugehörige Stempel in Sigmaringen aufbewahrt (vgl. Bresslau in Jahresberichten der Geschichtswissenschaft 1896, IV, 155 f.). Haberditzl weist nach, dass es sich in beiden Fällen um moderne Fälschungen aus der Mitte des 19. Jh. handelt. Das gleiche gilt auch von dem ebenfalls von Haberditzl a. a. O. S. 626 ff. besprochenen Stempel eines Siegels Wilhelms von Holland (fehlt bei Posse), der anscheinend um dieselbe Zeit zuerst sicher nachweisbar ist. Merkwürdiger Weise sollen ein Stempel Rudolfs (der Wiener) und der Wilhelms ebenfalls übereinstimmend 1815 resp. 1817 gefunden oder schon vorhanden gewesen sein. Dieses auffällige zeitliche Zusammentreffen, sowie die ähnliche Arbeit legt den von Haberditzl, soviel ich sehe, nicht gezogenen Schluss nahe, dass alle drei Stempel (und ebenso derjenige Ottokars v. Böhmen, ebenfalls in Sigmaringen) aus derselben Fabrik stammen. Dass Kemmerich, Frühmittelalterliche Porträtplastik S. 104 f., den Wiener Stempel Rudolfs von Habsburg für ‘über jeden Zweifel erhaben’ echt erklärt, nimmt bei seiner mangelhaften Kenntnis nicht Wunder.
  2. Für falsch halte ich schliesslich auch die auf Taf. 20, 2 abgebildete Variante des ersten Siegels Lothars. Die Existenz eines dritten, von J. Schultze, Die Urkunden Lothars III. S. 51 f., bemerkten Typus mit abweichenden Massen wird von Posse ausdrücklich bestritten.
Empfohlene Zitierweise:
Hans Wibel: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige (Rezension). Hahnsche Buchhandlung, Hannover und Leipzig 1910, Seite 253. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Siegel_der_deutschen_Kaiser_und_K%C3%B6nige_(Rezension).pdf/8&oldid=- (Version vom 31.7.2018)