charakterisiren sich dieselben als die Vorläufer der Reduktion, deren Gussmünzen die prora gleichfalls nach links tragen. Diesen beiden jüngsten Libralemissionen fehlt die Unze. Da sie aber in den einzelnen Stücken genau die gleichen Gewichtsverschiedenheiten zeigen wie die früheren Emissionen, so widerlegt sich hiermit der Irrtum, als ob Rom schon in der Libralzeit das Gewicht seiner Asse ständig vermindert hätte, mithin die schwersten Asse die ältesten, die leichtesten die jüngsten seien. Rom hat vielmehr in der ganzen Libralperiode gleichmässig gegossen: in allen Emissionen ergeben die Stücke (teils über-, teils untermünzt, teils normal) zusammengerechnet das gleiche Durchschnittsgewicht. Dieselbe Erscheinung findet sich naturgemäss ebenso auch bei jeder anderen Gussmünzstätte. Mit diesem Wenigen erschöpft sich was über die urbane Münzung der zweiten Periode zu sagen ist.
II. Capua: Ein unvergleichlich reicheres Bild der Tätigkeit bietet in der zweiten Periode die capuanische Münzstätte. Zu den wichtigsten hier eingeführten Neuerungen gehört es, dass ihr von nun an der Guss besonderer Schwergeldreihen für die Latiner übertragen wird. Es ist hierunter Folgendes zu verstehen: von einer besonderen Rücksichtnahme, wie sie in der ersten Periode gegenüber den Campanern zum Ausdrucke kam, war gleichzeitig den Latinern gegenüber nicht die Rede gewesen. Die Ursache liegt nahe. Der grosse Latinerkrieg musste naturgemäss noch auf Jahre hinaus zwischen Latium und Rom eine Zeit der Verstimmung zur Folge haben. Daher giesst Rom für das Bronzegebiet in der ersten Periode lediglich seine Prorareihe. Für manchen Landesteil (man denke z. B. an die Antiaten) mag der Anblick dieser Münzen ein wenig erfreulicher gewesen sein. Umgekehrt gestaltet sich in der zweiten Periode das Verhältnis weniger günstig zu der oskischen Nationalität, freundlicher zu den Latinern. Der grosse Kampf gegen Samnium, der zugleich ein nationaler Krieg der latinischen gegen die oskische Race war, führte die stammverwandten Römer und Latiner wieder zusammen und liess Vergangenes der Vergessenheit angehören. Rom war darauf angewiesen sich vor Allem auf das latinische Element zu stützen. In der Münzung kommt dies dadurch zum Ausdruck, dass nunmehr besonderes Schwergeld für die Latiner gegossen wird. Dabei blieb denjenigen Städten, die von Hause aus münzberechtigt waren, die eigene Münzung nach wie vor unbenommen. Das urbane Schwergeld scheint aber von jetzt an mehr nur für die hauptstädtische und die mit ihr im Tribusverband vereinte Bevölkerung bestimmt gewesen zu sein. Zum Gebrauche der sonstigen Gemeinden des mittelitalischen Bronzegebiets, gleichviel ob sie selbst münzten oder nicht, stellte Rom die neuen mit den gefälligen und abwechselungsreichen Marken seiner capuanischen Münzstätte versehenen Reihen zur Verfügung. Es muss hierbei für das gesamte unter Rom stehende Bronzegebiet eine gewisse allgemeine Ordnung
Ernst Justus Haeberlin: Zum Corpus numorum aeris gravis. Verlag der „Berliner Münzblätter“, Berlin 1905, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Systematik_des_%C3%A4ltesten_R%C3%B6mischen_M%C3%BCnzwesen.djvu/24&oldid=- (Version vom 31.7.2018)