Wägens beseitigt worden war. Mehr als zwei Jahrzehnte waren vergangen seit im Bronzegebiet Schwergeld in Übung und längst als stehende Gewohnheit eingebürgert war, bevor im Jahre 312 der erste capuanische Barren gegossen wurde. Da erscheint es denn geradezu undenkbar, dass man auf einen gesetzlich abgeschafften und gewohnheitsmässig längst antiquirten Zustand im gesetzlichen Wege von neuem hätte zurückgreifen und dem Privaten hätte zumuten sollen, ob er wollte oder nicht, neben der Geldzählung wieder die Wage als Mittel der Wertfestsetzung in Anwendung zu bringen. Das allerdings versteht sich von selbst, dass, wenn im Wege des Handels Barren veräussert wurden (ein bei ihrer vielfachen Benutzung naturgemäss häufiger Fall), ihr Handelswert gleich dem jeder anderen vertretbaren Ware nach dem Gewicht festzustellen war, ferner dass Jedermann, wenn er wollte, Barren oder deren Fragmente nach dem Gewicht in Zahlung nehmen konnte, eben so gut wie auch heute mit Zustimmung des Empfängers die Tilgung einer Schuld durch Hingabe einer Quantität Rohgoldes oder Rohsilbers nach dem Gewicht ausführbar ist. Diese Art der Schuldtilgung ist jedoch nicht Zahlung im Rechtssinne, solutio, sondern Hingabe an Zahlungsstatt, datio in solutum. Eine gesetzliche Ordnung, die darin bestände, dass man mit zu wägenden Mengen Metalls von dem Feingehalt des Geldes gerade so gut zahlen könnte wie mit zu zählenden Münzen, würde die legislative Anerkennung eines dem Tauschsystem analogen Verkehrs, neben dem Geldverkehr bedeuten. Die grossen praktischen und ökonomischen Bedenken eines solchen Systems aber werden jeden in geordneten Verhältnissen befindlichen Kulturstaat von seiner Anwendung abhalten und keineswegs würde ein solches System der Kulturstufe entsprechen, auf der wir gerade auch auf dem Gebiete des Geldwesens den römischen Staat in seiner wunderbar ausgebildeten latinisch-campanischen Doppelwährung bereits zu Ende des vierten Jahrhunderts angelangt sehen. Für diesen Staat war durch die Einführung des gemünzten Geldes ein dem früheren durch die Wage gekennzeichneten ähnlicher Tauschverkehr als gesetzlicher Rechtsverkehr ein für allemal beseitigt. In den sehr verschiedenen Gewichten der einzelnen Barren ist die Absicht unverkennbar sie nicht der Art wertgleich auszubringen, dass sie auch nur ein Geldsurrogat neben dem eigentlichen Gelde bilden sollten. Durch die Weglassung des Wertzeichens sind sie ausgesprochener Massen ausserhalb des engeren Geldverkehrs gestellt.
Gehörten hiernach im latinisch-campanischen Geldsystem die Barren nicht in den Kreis der gesetzlichen Zahlungsmittel dieses Systems, was um so unzweifelhafter erscheint als andernfalls nach der Norm der Ganzstücke auch jedes beliebige Fragment, weil Währungsmetall, als solches Zahlungsmittel angesehen werden müsste, so ergibt sich
Ernst Justus Haeberlin: Zum Corpus numorum aeris gravis. Verlag der „Berliner Münzblätter“, Berlin 1905, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Systematik_des_%C3%A4ltesten_R%C3%B6mischen_M%C3%BCnzwesen.djvu/61&oldid=- (Version vom 31.7.2018)