liegt aber gerade der Beweis, dass die Funktion der Barren im Wesentlichen eine andere war als diejenige des gemünzten Geldes. Freilich kommen Barren und Barrenfragmente nicht nur in Votivschätzen, wo die gemeinsame Widmung heterogenster Gegenstände selbstverständlich ist, sondern auch in Funden, die als Wertdepots zu betrachten sind, zusammen vor mit Rohbarren und gemünztem Gelde. Keineswegs aber beweist diese Tatsache, dass die drei Sorten gleichmässig als Geld neben einander umgelaufen wären; sie beweist nur, dass die bestehende Landessitte es mit sich brachte, ausser Geld auch zu anderen Zwecken bestimmtes Wertmetall im Besitze zu haben.
Trotzdem hiernach die Barren nicht Geld im engeren Sinne, d. h. nicht gesetzliches Zahlungsmittel neben den Münzen waren, so stehen sie dennoch in ersichtlicher Beziehung zum Münzsystem. Es ergibt sich dies nicht nur aus der wiederholt erwähnten Übereinstimmung ihres Feingehalts mit dem Münzmetall, sondern insbesondere auch daraus, dass ihre Herstellung zu den Funktionen der gleichen Münzstätte gehörte, der die Emissionen des Schwergeldes oblagen. Es ergibt sich endlich aus ihrer Stellung im System. Die feststehende Reihe:
ist eine Ordnung, die die Barren unmittelbar mit der Münze verbindet. Mit Recht dürfen sie daher als „Münzbarren“ bezeichnet werden. Sie zerfallen ferner nach der Regel, dass sie zu einer Schwergeldreihe gehören und nach der Ausnahme, dass sie ohne eine solche für sich allein stehen, in „Reihenbarren“ und „Gedenkbarren“. Letztere dienen ausschliesslich der Verherrlichung einer historischen Tatsache; diesem Zwecke kann indess auch der Reihenbarren dienen, wie dies mit Bezug auf die Vereinigung Roms und Campaniens bei dem Barren Adler )( Pegasus der Fall ist.
Sind aber die Barren „Münzbarren“ in dem soeben entwickelten Sinne, so widerlegt sich damit ein öfter geäussertes Bedenken, ob sie nämlich überhaupt in den Kreis der Numismatik gehören. Sie gehören in diesen Kreis, denn ohne sie wäre unsere Kenntnis der Tätigkeit der vornehmsten Bronzemünzstätte unvollständig; sie sind die kostbarsten Zeugnisse, die uns von dieser Tätigkeit erhalten sind, und eine Sammlung von Schwerkupfer, die der Barren ermangelt, hat noch nicht den Höhepunkt erreicht, den eine solche Sammlung erreichen kann.
Schliesslich fragt es sich, ob unsere Kenntnis der römisch-campanischen Barrensorten eine vollständige sei? Einen wichtigen Anhalt für die Bejahung dieser Frage gewährt der merkwürdige im Jahre 1896 bei Mazin in Croatien gemachte Fund (vgl. S. 38), der neben zahlreichen italischen, griechischen, ferner ptolemäischen, karthagischen und numidischen bis auf späte Zeit (c. 89 v. Chr.) reichenden Münzen und neben
Ernst Justus Haeberlin: Zum Corpus numorum aeris gravis. Verlag der „Berliner Münzblätter“, Berlin 1905, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Systematik_des_%C3%A4ltesten_R%C3%B6mischen_M%C3%BCnzwesen.djvu/63&oldid=- (Version vom 31.7.2018)