Seite:Die Volkssagen der Stadt Freiburg im Breisgau.djvu/88

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

hier, so wie er da steht, noch vor Mitternacht in meinen Saal, so daß ich mit meinen Gästen die Früchte davon brechen kann, so bleibt nicht allein deine Tochter bei dir, sondern du sollst auch mit allen Deinigen frei sein. Ich habe schon bemerkt, daß du damit umgehst, von mir loszukommen.“ Mit diesen Worten kehrte der Ritter den armen Leuten den Rücken zu, und noch lange hörte man aus der Ferne sein Hohngelächter.

Der gute Kaspar war der Verzweiflung nahe. Er kannte den Ritter zu genau, um eine Milderung seines Befehls hoffen zu dürfen und übersah mit einem Blicke das Elend seiner Lage. Er wußte nichts Anderes zu thun, als mit den Seinigen auf die Knie zu fallen und inständig zu beten, daß der Himmel sie nicht verlassen möge.

Und sieh, da zuckte es wie ein Blitz, die Erde bebte und aus der Tiefe ließ sich eine Stimme vernehmen: „Wehe ihm, seine Stunde hat geschlagen.“ Dennoch ging der Tag ohne Ereigniß vorüber, und als es Abend war, kehrte die Jagdgesellschaft unter Hundegebell und Hörnerschall in das Schloß zurück. Dort setzte sie sich zum Gelage nieder, und nun wurde aufgetragen, was Küche und Keller vermochten. Da war denn großer Jubel; nicht nur die Herren zechten übermäßig und trieben sich mit Buhldirnen umher, sondern auch die Knechte folgten ihrem Beispiele. Darum ward es Niemand gewahr, daß ein Gewitter vom Rheine immer näher heranzog. Von Stunde zu Stunde wurde das Toben im Schlosse frecher und wilder. Schallendes Gelächter aber rief es hervor, als der Burgherr den Vorfall mit dem Kirschbaum erzählte und das Entsetzen der armen Leibeigenen schilderte. Einige waren der Meinung, man sollte nachsehen lassen, ob noch nicht angespannt sei, und eine vorwitzige Dirne steckte sogar den Kopf zum Fenster hinaus; aber der Sturm schlug es mit solcher Heftigkeit zu, daß die Scherben im Saale umherflogen. Da wurde es

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Schreiber: Die Volkssagen der Stadt Freiburg im Breisgau. Franz Xaver Wrangler, Freiburg 1867, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Volkssagen_der_Stadt_Freiburg_im_Breisgau.djvu/88&oldid=- (Version vom 31.7.2018)