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Grandi junior besitzt auch der Marchese Strozzi zu Ferrara. Im Hause Strozzi trägt es noch immer den falschen Namen des Lorenzo Costa, unter dem es vom Kloster S. Cristoforo degli Esposti dahin kam, und unter welchem Namen es ebenfalls von den Herren Cr. und Cav.[1] angeführt wird. In der That nähert sich Grandi in diesem Bilde gar sehr seinem Lehrer Costa, so daß es schon ein mit der ferraresischen Schule sehr vertrautes Auge erfordert, um darin den Geist und die Hand des Schülers zu erkennen.

Leider besitzt die Dresdner Galerie weder Werke des Cosimo Tura noch von dessen Schüler, dem jüngern Galasso Galassi, noch von Francesco Bianchi, von Domenico Panetti, oder von dem geistreichen Lorenzo Costa; wohl aber hat dieselbe in jüngster Zeit ein Bildchen von einem Schüler des Panetti, dem Francesco Mazzolino[2], erworben, dessen leuchtende, in allen Tonarten schillernde Farben ihn zum Liebling der römischen Monsignori machten. Er ist nur in kleinen Figuren genießbar und ist seiner Befähigung nach eher Genre- denn Historienmaler. Auf mich haben seine Bilder stets einen etwas vlämischen Eindruck gemacht. Doch wenden wir uns nun zu den Hauptvertretern der ferraresischen Schule in ihrer Blüthezeit, dem Dosso und dem Garofalo, welche beide in ihrer Heimath etwa den nämlichen Platz behaupten, den in der lombardisch-mailändischen Schule B. Luini und Gaudenzio Ferrari einnehmen.

In keiner andern Galerie diesseits der Alpen sind Dosso und Garofalo so reich und gut vertreten wie in den schönen Räumen der Dresdner Galerie[3]. Diesen beiden


  1. Bd. I, 546, 4.
  2. No. 2458. Christus dem Volke gezeigt. Nach eingehenderen Studien bin ich zur Ueberzeugung gekommen, daß Mazzolino seine Lehrjahre nicht, wie man gewöhnlich annimmt, unter Lorenzo Costa zu Bologna, sondern zu Hause unter D. Panetti durchgemacht haben muß.
  3. Ich habe mich früher in der von Lützow’schen „Zeitschrift für bildende Kunst“ (Bd. IX–XI) über Dosso und Garofalo eines weitern ausgesprochen, nachdem ich ihren Werken, den bekannten und verkannten, mit Geduld und Liebe nachgegangen bin, und habe dort versucht, ihre künstlerische Persönlichkeit in ein helleres Licht zu stellen, als dies bisher geschehen war. Ich darf mich daher an diesem Orte kürzer fassen, zumal die genannte Zeitschrift, in der meine Aufsätze abgedruckt wurden, bei uns in Rußland in den Händen jedes Gebildeten ist.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/155&oldid=- (Version vom 31.7.2018)