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der Form des Mundes und des Auges sowie an der Art, wie die Lichter auf den Haarlocken aufgesetzt sind, glaubte ich unsern Jacopo ganz sicher zu erkennen, wogegen der Katalog der Galerie dieses interessante Bildniß dem jüngern Holbein sonderbarer Weise zumuthet. Mit größerer Sachkenntniß haben die Herren Cr. und Cav. (II, 98, Anm. 3) folgendes Urtheil über dieses Porträt abgegeben: this panel has Bellinesque and Antonellesque character, is trasparent but a little empty in tone.

Sind nun meine Attributionen der Galathea in Dresden, der Porträte in Wien und Bergamo, der Zeichnung zum Stiche des Zuan Andrea in der Ambrosiana zu Mailand und endlich der Wandmalereien in Treviso richtig, wovon ich meinerseits fest überzeugt bin, so würde daraus folgen, daß dieser Venezianer bisher viel weniger bekannt war, als er es wohl verdient hat, und ich fordere daher meine jungen Freunde in der Kunstforschung auf, diesem beweglichen und fremden Einflüssen leicht zugänglichen, aber stets geistreichen Künstler nachzugehen und seinen Spuren schärfer folgen zu wollen. In Deutschland und Belgien dürfte man gewiß noch auf manches seiner Werke stoßen, die entweder unbekannt oder, unter falscher Bezeichnung, bis jetzt unbeachtet geblieben sind.

Jacopo de’ Barbari muß zwischen 1440 und 1450 in Venedig das Licht der Welt erblickt haben. Von wem er die Anfangsgründe der Malerei erlernt, ist unbekannt. Daß er später vielfach von Giovan Bellini (1460–1740) und namentlich von Antonello da Messina (zwischen 1480–90) beeinflußt worden, kann nicht in Zweifel gezogen werden; das Bildniß in der Galerie von Bergamo muß in diese letztere Epoche fallen. Um 1490 dürfen wir ihn, so scheint es mir, seine erste Reise nach Nürnberg machen lassen. Auf diese Hypothese führen mich die Worte Albrecht Dürer’s[1], er habe Niemand gefunden, der da


  1. S.: Thausing a. a. O. 222, und v. Zahn’s Jahrbücher, I. Jahrg. S. 14.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/195&oldid=- (Version vom 31.7.2018)