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Sie ist von der Hand des Vittore Carpaccio. Diese Zeichnung ist die Skizze zu einem großen Tafelbilde, welches vor Jahren im Hause des Herrn Angelo Averoldi von Brescia stand und später nach England verkauft wurde. Das Bild war mit dem Namen des Meisters und mit der Jahreszahl 1519 bezeichnet, demnach eines der letzten Werke des Malers[1].

Auch die andere getuschte Federzeichnung, „die Grablegung Christi“ darstellend, unter Giambellino’s Namen ist diesem, wie ich glaube, ohne Grund zugemuthet. Echte Handzeichnungen dieses großen Meisters scheinen überhaupt sehr selten zu sein, mir wenigstens sind nur wenige derselben bekannt geworden. Während man gewöhnlich ihm selbst Zeichnungen zuschreibt, welche im besten Falle andern Meistern aus der venezianischen Schule angehören, werden seine eignen unter fremden Namen dem Publikum vorgestellt[2].


  1. Von Braun photographirt, mit der Nummer 51 seines Katalogs. Zur Belehrung der jungen Kunstbeflissenen will ich hier noch einige andere Handzeichnungen des Carpaccio bezeichnen, deren Photographien nicht schwer zu beziehen sind.
    a) Jüdische Richter verurtheilen einen Christen zum Martertode. Getuschte Zeichnung in der Uffizisammlung. No. 919 im Kataloge von Philipot.
    b) Die „Beschneidung Christi“, getuschte Zeichnung in der Uffizisammlung. No. 918 im Kataloge von Philipot.
    c) Maria mit dem Kinde und den Heiligen Rochus und Johannes dem Täufer. Tuschzeichnung. In der Uffizisammlung. No. 917 im Kataloge von Philipot.
    d) Fünf ganze Figuren, darunter ein h. Rochus. Tuschzeichnung. Studien. In der Uffizisammlung fälschlich dem Giorgione zugeschrieben. No. 2816 im Kataloge von Philipot.
  2. So wird z. B. in der Sammlung von Lille eine h. Jungfrau mit dem Kinde, Schwarzkreide und Gips (No. 12 im Braun’schen Kataloge) ihm zugeschrieben, während dieselbe augenscheinlich dem Bartolommeo Montagna angehört. So wird noch immer in der Uffizisammlung eine Röthelzeichnung des Francesco Morone aus Verona (thronende Madonna zwischen den h. Joseph, Rochus, Antonius und einem h. Cardinal) Giambellino genannt, aus welchen groben Irrthum schon die Herren Cr. und Cav. aufmerksam gemacht haben (I, 492). So wird andererseits in der Sammlung von Handzeichnungen der venezianischen Akademie die bekannte Federskizze zu einer „Pietà“ dem Andrea Mantegna gegeben, während sie der Frühzeit (1460–70) des Giambellino angehört. – (Von Perini photographirt).
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 253. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/272&oldid=- (Version vom 31.7.2018)