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wieder mit Botticelli (Uffizigalerie No. 1179), oder aber, wie dieß in einer nordischen Galerie der Fall ist, den Raffaellino del Garbo mit seinem Lehrer Filippino zu verwechseln. Aehnliches hat nun auch mit der ferraresischen Schule des Cosimo Tura stattgefunden. Der h. Sebastianus, ein untrügliches Werk des Cosmè (gegenwärtig im Besitze des Antiquars Guggenheim in Venedig) wurde von allen Kunstschriftstellern, selbst von den Herren Cr. und Cav. (I, 538) dem Schüler Lorenzo Costa zugeschrieben, und zwar hauptsächlich aus dem Grunde, weil man behauptet, daß der Name des Costa in hebräischer Schrift darauf verzeichnet stehe. Die Inschriften jedoch, sowohl auf Bildern als anderswo, können doch nur einen relativen Werth haben, nämlich insofern sie mit dem Gegenstande selbst, den sie bezeichnen, übereinstimmen. Darum sagt auch ein altes venezianisches Sprüchwort: chi guarda cartelo, no magna vedelo (auf deutsch: wer einem cartello (Aufschrift) traut, der ißt kein Kalb- sondern wahrscheinlich Hammelfleisch, mit andern Worten: der wird betrogen). Jener hebräischen Aufschrift, falls sie wirklich, wie man sagt, magister Laurentius Costa[1] bedeutet, widerspricht jedoch das Bild selbst, welches so deutlich den Charakter des Tura an der Stirn trägt, daß es als Beispiel seiner Art und Weise den Neulingen vorgestellt werden könnte. Und wie nun in dieser in ihrer Art ganz trefflichen Gestalt des h. Sebastianus Cosmè für seinen Schüler Costa genommen wurde, so ward wiederum in einem andern berühmten Bilde (gegenwärtig im Hause Strozzi in Ferrara) dieser mit seinem Schüler Ercole Grandi, di Giulio Cesare, verwechselt. Freilich muß zugegeben werden, daß hier der Schüler sich so sehr der Art und Weise des Lehrers nähert, daß es vielleicht nicht


  1. Auf einem so jugendlichen Werke, wie doch nach den Historiographen dieser h. Sebastianus sein sollte, hätte sich Costa wohl schwerlich schon Magister zeichnen können.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/295&oldid=- (Version vom 31.7.2018)