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vom Jahre 1456 gemalt haben dürfte, welche gegenwärtig in der städtischen Galerie von Perugia ihren Platz gefunden hat.

War also Niccolò da Foligno ein angehender Jüngling, als 1450 Benozzo nach Montefalco kam, so möchte es wohl nicht zu gewagt erscheinen, wenn wir annehmen, daß er als Schüler in die Werkstätte des Gozzoli eingetreten sei. Und in der That kann man bei Betrachtung der Malereien aus der Frühzeit des Alunno die Bemerkung nicht unterdrücken, daß in denselben überall Anklänge an Benozzo wahrzunehmen seien. Ich halte also dafür, daß dieser und kein anderer als der wahre Lehrer des Niccolò, unter dessen Leitung er sich zum Künstler ausgebildet habe, angesehen werden müße. Vor dem Orte Montefalco, am Wege, der zur Kirche von S. Fortunato führt, befindet sich die s. g. cappella della cancellata, welche mit Fresken ausgeschmückt ist, in denen nicht nur die Hand, sondern auch der Sinn des Alunno deutlich wahrzunehmen sind. In diesen Wandgemälden nun stellt der Folignate sich uns überall als von Gozzoli beeinflußt dar. Besuchen wir dann die nahe bei Foligno gelegene Kirche S. Maria in campis, so haben wir an den Malereien des Alunno in jener Kirche dieselbe Bemerkung zu machen; denn auch hier giebt er sich uns als Schüler und Nachahmer des Gozzoli zu erkennen[1]. Niccolò da Foligno verräth jedoch in seinen spätern Werken, sich selbst überlassen, stets die Uebertreibungssucht, die den


  1. In der „Kreuzigung“ z. B. ist der Engel im grünen Gewande ganz Gozzolisch, und in der „Verkündigung“ an der Wand gegenüber ist der verkündende Engel geradezu dem Benozzo entnommen, oder, um mich richtiger auszudrücken, dem Fra Angelico, dem Gozzoli ihn entlehnt hatte. Faltenwurf, Handform und selbst der Ausdruck durchaus an Benozzo erinnernd. Sogar der goldene feingestreifte Nimbus ist sowohl der des Angelico und des Gozzoli, als auch der, den wir einige Jahre später aus den Bildern des Peruginers Fiorenzo di Lorenzo antreffen. Nach dem soeben Gesagten erscheint mir die durch Gozzoli vermittelte Einwirkung des B. Angelico aus diesen Umbrer wahrscheinlicher und einleuchtender als die des viel frühern Senesen Taddeo di Bartolo.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/316&oldid=- (Version vom 31.7.2018)