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des Timoteo bezeichneten Bilde erscheint der etwa 27 bis 28jährige Künstler noch ziemlich von der Art und Weise seiner Lehrmeister Francia und Lorenzo Costa beeinflußt; der musizirende Engel erinnert an Costa, die Heiligen Crescenzio und Vitale an Francia, während gerade die reizende Gestalt des Vitalis dazu beigetragen haben dürfte, daß dies Bild als ein Werk Raffael’s betrachtet worden ist.

Ein anderes kleines Bild, im Privatbesitze zu Mailand, möchte etwa, wenn nicht noch früher, so doch sicher in die nämliche Frühperiode, wie das obengenannte, zu setzen sein. Auf der kleinen, etwa 28 Centimeter hohen und 20 Centimeter breiten Holztafel ist die h. Margarethe dargestellt, in der Rechten einen Palmzweig, mit der Linken die Kette haltend, an welcher sie den ihr zu Füßen liegenden Lindwurm führt. Den Hintergrund bildet eine Landschaft, die einigermaßen an die Umgegend von Urbino erinnert. Der Kopf und die Haltung der Heiligen rufen uns unwillkürlich den Francia ins Gedächtniß, während das Gesichtsoval an jenes der Madonna del Granduca von Raffael gemahnt. Das Bildchen kam von Urbino als Werk Timoteo’s nach Rom und wurde dort von seinem jetzigen Besitzer erworben. Den Karton zu dieser kleinen h. Margarethe benutzte der Künstler auch für die Figur der Apollonia in dem Altarbild des Kirchleins der h. Trinità; statt des Palmzweiges gab er dieser Heiligen eine Zange in die Rechte und ließ den Drachen weg. Bei dieser Gelegenheit will ich noch bemerken, daß der Lindwurm zu Füßen der h. Margarethe dem Drachen auf dem Bilde des jungen Raffael, welches den h. Georg darstellt (gegenwärtig in der Galerie des Louvre No. 369, die Federzeichnung dazu in der Uffizisammlung), gleicht.

Ebenfalls um 1500 scheint mir das schöne Bild, jetzt im Besitze des Herrn Moris Moore in Rom, entstanden zu sein. Dasselbe stellt Apollo stehend und unbekleidet dar, wie er dem sitzenden und auf einer Flöte blasenden Marsyas,

Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/365&oldid=- (Version vom 31.7.2018)