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das s. g. Porträt des Girolamo Benivieni an, in der Sammlung des Marchese Torrigiani zu Florenz (Saal II, No. 9), daselbst Lionardo zugemuthet. Es stellt einen alten Mann dar mit schwarzem Barett und in schwarzem Kleide. In allen diesen Jugendwerken sticht die meist mangelhafte Zeichnung von der Schönheit der Köpfe in den Figuren befremdend ab.

In den Werken Ridolfo’s aus den Jahren 1506 bis 1510 bemerken wir dagegen den Einfluß theils des Fra Bartolommeo, theils seines Freundes und Altersgenossen Raffaelo Sanzio, der mit dem Ridolfo, wie es scheint, in jener Epoche am berühmten Karton des Lionardo da Vinci studirte. Aus diesen gemeinsamen Kunststudien erwuchs, wie uns Vasari berichtet, zwischen den beiden gleichgesinnten Jünglingen eine warme Freundschaft. Daß ein solches inniges Zusammenleben mit dem weit begabteren Raffael nicht ohne Einfluß auf Ridolfo bleiben konnte, ist sehr natürlich, und mehrere Gemälde aus dieser frühen Epoche unseres Meisters scheinen auch einen Beweis von einer solchen Einwirkung uns zu geben; so unter andern nebst dem guten Bilde No. 91 in der Berliner Galerie auch das Madonnenbild mit der h. Elisabeth und dem kleinen Johannes (No. 1110) in der Tribuna der Uffizigalerie, dort irrthümlich dem Orazio Alfani zugeschrieben[1].


  1. Meiner Ansicht nach höchstwahrscheinlich von Ridolfo del Ghirlandajo. Man vergleiche das Bild mit den einige Jahre später ausgeführten Gemälden des Ridolfo, unter den Nummern 1275 und 1277 in derselben Galerie. Man vergleiche ferner die Behandlung der Kräuter im Vordergrunde dieses Bildes mit dem Vordergrunde in der „Verkündigung“ (No. 1288) ebendaselbst. Die Herren Cr. und Cav. (III, 370) bezeichnen dies Bild als „a fine Perugian work in D. Alfani’s style“. Die florentinischen Commentatoren des Vasari (Ediz. Le Monnier VI, 82) erklären es für „opera certa“ von Orazio Alfani. Einige Seiten nachher, S. 84, behaupten sie aber, das einzige sichere Werk des Orazio Alfani sei „der Gekreuzigte mit den HH. Hieronymus und Apollonia“ in der Kirche S. Francesco zu Perugia, vom Jahre 1553. Auch Passavant (I, 480) sieht dies Bild in der Tribuna als Werk von Orazio Alfani an und bemerkt dabei, es sei ganz und gar in der Manier Raffael’s komponirt, und die Landschaft mit den steilabfallenden Felsen erinnere an die Art des Pinturicchio. Vom Jahre 1510 besitzt die Galerie von Pesth eine „Anbetung der Hirten“ (sehr übermalt), im Ganzen acht Figuren und drei Engel in den Lüften. Bezeichnet: Ridolfus Grillandajus Florentinus faciebat, Instante Joanne Italiano Peri, M.D.X.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 385. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/404&oldid=- (Version vom 31.7.2018)