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so hatte er wahrlich Großes geleistet. Und erreichte dieser Colantonio auch nicht jene Vollkommenheit in seiner Kunst, zu der sein bei Euch in Venedig wohlbekannter Schüler Antonello von Messina gelangte, so war dies bloß die Schuld der Zeiten, in denen er lebte. Die Profession des Colantonio war, wie es damals in Neapel allgemein üblich war, nach Art der Niederländer zu malen, und da er leidenschaftlich seine Kunst liebte, so hatte er den Entschluß gefaßt, sich nach Flandern zu begeben, um an Ort und Stelle in der Malerei sich zu vervollkommnen . König Roger von Anjou[1] hielt ihn jedoch von der vorgehabten Reise ab, indem er selbst ihm sowohl die Anwendung des Oels (pratica) als auch das Geheimniß der Farbenmischung (tempera) lehrte. Von Colantonio, der jung noch das Zeitliche segnete, habe es sodann sein Schüler Antonello da Messina erlernt [2].

Die neuere Kritik hat nun auf’s Klarste nachgewiesen, daß jener neapolitanische Maler Colantonio des Summonzio nichts als eine der vielen Erfindungen oder Illusionen des neapolitanischen Lokalpatriotismus war[3], allein das thut nichts zur Sache, die uns hier interessirt. Mir liegt es bloß daran, meine Leser darauf aufmerksam zu machen, daß der erste Fachmann, welcher über Antonello’s Kunsterziehung berichtete, der neapolitanische Architekt Summonzio denselben die neue, niederländische Art, in Oel zu malen, nicht in Flandern selbst, wie Vasari angiebt, sondern in Italien erlernen läßt[4].


  1. König Roger regierte in Neapel vom Jahre 1435 bis 1442.
  2. S. Lanzi, Storia Pittorica della Italia, Milano 1824, II, 319.
  3. S. Cr. und Cav. I, 335 und II, 78 und Dr. Guftavo Frizzoni; (Archivio Storico Italiano) Napoli nei suoi rapporti coli ’arte del Rinascimento.
  4. Die Unwissenheit sowohl als die kindisch-lächerliche patriotische Eitelkeit dieses Summonzio wird wohl keinen Kunstforscher befremden, dem die Bücher des Neapolitaners De Dominici oder die des noch lebenden Sicilianers De Marzo (von denen des Salazaro[a 1] gar nicht zu [420] sprechen) bekannt sind. Der Mensch, zumal der in südlichen Regionen geborne, pflegt gerade am meisten auf das zu pochen und stolz zu sein, was er gar nicht besitzt.

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  1. Vorlage: Sannazzaro
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 419. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/438&oldid=- (Version vom 31.7.2018)