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habe, als einer der intimsten Freunde Antonello’s, dessen Tod tief betrauert – ein Schmerz, der beim Hinscheiden eines achtzigjährigen Greises kaum zu erklären wäre.

Und nun stellen wir zuguterletzt noch die Frage auf: War es denn wirklich nöthig, einen Italiener nach Brügge reisen zu lassen zu einem Zwecke, den er eben so gut im eigenen Vaterlande erreichen konnte? Fanden sich denn nicht um die Mitte des 15. Jahrhunderts vlämische Maler aus der Schule der van Eyck’s in Italien, sowohl in Neapel wie anderswo? Wir wissen ja, daß selbst der berühmte Roger van der Weyden zu jener Zeit mehrere Jahre auf der Halbinsel sich aufhielt. Die Möglichkeit also, daß Antonello das van Eyck’sche Malsystem ebensogut in Italien selbst von irgend einem vlämischen Maler als in Flandern habe erlernen und sich zu eigen machen können, muß, wie ich glaube, zugestanden werden. Mehr verlange ich nicht; die weiteren Schlußfolgerungen überlasse ich der Einsicht meiner freundlichen Leser.

Die mehr als zwanzigjährige Wirksamkeit Antonello’s in Venedig, sowie die hervorragende Stellung, die er dort, zumal als Porträtist, sich zu erwerben gewußt, konnte nicht ohne Einfluß auf sein engeres Vaterland bleiben. Wer die Kirchen Messina’s und der Ortschaften längs der Ostküste Siciliens bis Syracus besucht, wird in mancher derselben noch heutzutage Madonnenbildern, sei es in Farben, sei es in Marmor, begegnen, die ihn ebensowohl an Antonello wie an Giambellino, zuweilen auch an Cima da Conegliano, erinnern, und er dürfte vielleicht bald mit uns die Überzeugung gewinnen, daß von einer naturwüchsigen messinesischen Kunstschule ebenso wenig die Rede sein kann, als von einer Palermitanischen. Die Bilder eines {{SperrSchrift|Pietro von Messina[1], eines Maso, eines Antonello Saliba eines Salvo d’Antonio, des s. g. Francesco


  1. Von Pietro (venezianisch Piero, aus dem später wahrscheinlich [428] der Pino da Messina entstanden sein möchte) befindet sich ein mit dem Namen bezeichnetes Madonnenbildchen im Oratorium der Kirche S. Maria Formosa zu Venedig, ein anderes im Besitze der Marchesa Arconati-Visconti in Mailand, ebenfalls Petrus Messaneus bezeichnet. Unbezeichnete Bilder dieses mittelmäßigen Künstlers, der bald seinen Meister Antonello, bald den Giambellino, zuweilen auch den Cima da Conegliano nachahmt, glaube ich mehrere in Sicilien selbst gesehen zu haben, so z. B. im ersten Saale der Bildergalerie im Universitätsgebäude von Messina: eine das vor ihr liegende Kind anbetende Madonna, auf Goldgrund; im zweiten Saale ebendaselbst eine stark restaurirte Madonna mit dem schlafenden Christkinde in den Armen. Ein paar solcher Madonnenbilder des Pietro da Messina fand ich vor Jahren auch im Hause des Antiquars Guggenheim zu Venedig und weiß, daß eines derselben nach Berlin an einen Grafen Pourtales verkauft wurde. Die durch Uebermalung zwar sehr entstellte, jedoch noch immer bewunderte Madonna mit dem Kinde (Giambellino genannt) hinter dem Hauptaltar der Kirche degli Scalzi in Venedig dürfte, irre ich nicht sehr, auch unserm Pietro angehören, ebenso ein kleines Madonnenbildchen (No. 23) in der Communalgalerie von Padua u. s. w.
    Ein mit dem Jahre 1516 und dem Namen Maso bezeichnetes Madonnenbild (auf Goldgrund), mit dem Bildnisse des Donators, sieht man in der Kirche von S. Lucia zu Messina. Dieser Maso erscheint mehr noch von Pietro als von Antonello beeinflußt.
    Von Antonello Saliba aus Messina besitzt das Museum von Catania ein Tafelbild, worauf Maria auf einem Throne dargestellt ist, dem auf ihrem rechten Kniee stehenden Kinde eine Blume darreichend. Auf einem Zettel liest man folgende Aufschrift: Antonellus Missenius Saliba hoc pfecit opus 1497, die 20. Julii. Auch dieser Messinese gehört der Schule Antonello’s und Pietro’s von Messina an.
    Aus derselben Schule scheint auch jener Salvo d’Antonio hervorgegangen zu sein, von dem wir ein mit dem Namen bezeichnetes Bild (der Tod Mariae) in der Sagrestia dei Canonici im Dome von Messina sehen. Salvo muß später auch die Mailänder Schule besucht haben. Ob der Maler Francesco Cardillo von Messina, dem man die „Heimsuchung“ am 2. Altar der Klosterkirche von Montalto in Messina zuschreibt, je existirt hat, wüßte ich nicht zu sagen; soviel scheint nur jedenfalls gewiß, daß jenes Bild das Werk eines Malers ist, der eine nahe Verwandtschaft mit Pietro da Messina hatte. Aus dieser nämlichen Malerschule begegnen wir Bildern in Messina in den Kirchen dello Spirito [429] Santo, della Anunnziata dei Catalani, dei Cappuccini; in Taormina in der Kirche von S. Agostino und anderweitig. Diese Antonello-venezianische Schule waltete unumschränkt in den zwei letzten Decennien des 15. und den ersten des 16. Jahrhunderts auf der Ostküste Siciliens, bis um’s Jahr 1519 der geschmacklose, barocke s. g. Messinesische Raffael, Hieronymus Alibrandi, ein Plagiator der schlechtesten Sorte, in seiner Vaterstadt auftrat und alle andern Maler in Schatten stellte. (Siehe seine Bilder in den Kirchen S. Niccolò, im Dome – Sagrestia delle Messe – in S. Dionigi). Später kam Polidoro da Caravaggio nach Messina und stiftete daselbst eine ärmliche Schule, die mit seinem Schüler und beiläufig Mörder TONNO erlosch.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 427. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/446&oldid=- (Version vom 31.7.2018)