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nicht zu Bergamo sondern in Brescia gestorben ist, und nicht 1560 sondern vier Jahre früher. Das Porträt stellt einen Geistlichen dar und gehört zu den vorzüglicheren Bildnissen des trefflichen Bergamasken. Mit großem Unrecht haben schon vor Herrn Dr. Marggraff einige moderne Kritiker getrachtet, dieses so charakteristische Moronische Bild dem Moretto zuzuweisen. In einigen Fällen, wenn Moroni etwa Bilder seines Lehrers Moretto kopirt, wie z. B. in dem lesenden h. Hieronymus der Communalgalerie von Bergamo, oder in seinem Jugendbilde, das in der Breragalerie unter Nummer 252 aufgestellt ist, kann Moroni von solchen, die mit seiner Art und Weise nicht sehr vertraut sind, mit seinem Lehrer verwechselt werden. Form und Ausdruck der Hand z. B. sind bei Moroni stets sehr verschieden von denen bei Moretto. Die Hände des letzteren mit den etwas akademisch zugespitzten Fingern haben niemals die Naturwahrheit, welche Moroni, wenn er will, seinen nach dem Leben gezeichneten Händen zu geben weiß. Auch hat die Fleischfarbe bei Moretto zwar einen hellen Silberton, die des Moroni aber kommt der Realität näher. Auf diesem Bildnisse in München ist nun die Hand sehr charakteristisch und läßt für einen Kenner nicht den mindesten Zweifel bestehen, daß dieses Porträt dem Moroni und nicht dem Moretto angehöre.

Giov. Battista Moroni ist in Bondio, unweit Albino, einem Flecken der Provinz Bergamo, geboren, und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach um 1525; denn seine frühesten Werke haben in den Fleischpartien jenen ziegelröthlichen Ton, den wir öfters in den Werken des Moretto nach 1540 finden. Moroni muß daher ungefähr um jene Zeit in’s Atelier des Moretto gekommen sein. Dieser letztere war zwar ein Brescianer von Geburt, seine Voreltern aber, die Bonvicini[1], stammten aus Ardesio, einem Dorfe,


  1. Ambrogio und Moretto quondam Guglielmino von Ardesio, genannt Bonvicini. (Siehe Dizionario degli Artisti Bresciani von Stefano Fenaroli.)
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/68&oldid=- (Version vom 31.7.2018)