Inzwischen beobachtete Richard mit Hilfe seiner Instrumente unausgesetzt die Sonne, und seine Berechnungen ergaben schließlich mit untrüglicher Gewißheit, daß der neue Nordpol genau mit Singapore zusammenfiel und daß man sich daher auf dem einundachtzigsten Breitengrade befände.
Jetzt war hier Polarsommer. Wie würde es nun werden, wenn erst der Winter mit seiner halbjährigen Nacht und furchtbaren Kälte käme? In der Grotte allerdings, deren heißer Bach nicht versiegte, war man ja vor der Kälte geschützt, und gefrorenes Fleisch gab es auch in Ueberfluß, man mußte sich nur die Fleischablagerungsstätten merken, falls sie verschneiten – doch Richard sah schon weiter in die Zukunft, dachte schon an die Kinder der Eingeborenen, und ganz andere Pläne entstanden da in seinem Kopfe; er wollte sich nicht begnügen, dieses Geschlecht nur in der warmen Grotte geschützt zu wissen.
Sie mußten hinaus, sich acclimatisieren, und wer dazu nicht fähig war, der mochte zu Grunde gehen. Nur dem Starken und Widerstandsfähigen gehört das Leben.
Wir werden sehen, wie er seine Pläne ausführte.
Zu den Pelzkostümen waren Schlafsäcke gekommen, wie sie auch die Eskimos benutzen, um in der strengsten Kälte draußen zu übernachten. Die Pelze dazu lieferten Bären, deren Hinterindien zwei Arten besitzt, eine kleinere, den malayischen, und eine größere, den Lippenbären. Auch Schneeschuhe waren gefertigt worden, und man hatte sich auf ihnen bei kleineren Expeditionen geübt. So konnte nun, als das Laufen einigermaßen ging, der erste große Marsch nach der Küste angetreten werden, denn Richard begehrte vor allen Dingen, das Meer zu schauen.
Robert Kraft: Die indischen Eskimos. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_indischen_Eskimos.pdf/20&oldid=- (Version vom 31.7.2018)