Seite:Die kaiserlichen Privilegien der Universität Marburg - Eine academische Rede.pdf/23

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Gelingen jenes Plans entmuthigender als je. Die neuesten Conflicte der catholischen Kirche und des evangelischen Staats rücken jede Hoffnung dazu wieder in die ungemessenste Ferne und zeigen, wie man in der Aussöhnung bei Weitem nicht mehr einander so nahe stehet, als in den Tagen Melanchthons. Dafür erscheint indeß unsere Zeit in einer andern Hinsicht besser gestellt, als die des Landgrafen Philipp, weil ein innerer Hader, der damals in den Adern der evangelischen Kirche zu wuchern begann, die Spaltung zwischen dem schweizerischen und sächsischen Bekenntniß, endlich dem Geiste des Friedens und der evangelischen Einheit hat weichen müssen. Der Frieden zwischen reformirtem und lutherischem Bekenntniß besteht, wenn auch nicht überall formell ausgesprochen, doch wenigstens überall durch die That, so daß einzelne Stimmen, die aufs Neue den Saamen der Zwietracht erwecken wollen, doch eben auch nur als Einzelne verhallen müssen, und Philipps des Großmüthigen Gedächtniß, der den Hader damals gleich im Keime zu ersticken trachtete, bleibt auch von dieser Seite bei den Nachkommen gesegnet.

Diese Puncte sind es also nicht, für deren Erledigung wir einer Mahnung von dem christlich-kirchlichen Sinne jener Zeit bedürften. Dagegen erscheinen die Gefahren, gegen die christlicher Sinn und christliche Wissenschaft gerade jetzt zu kämpfen hat, von ganz anderer Art, aber zugleich auf eine Höhe gesteigert, daß dagegen alle übrigen Zerwürfnisse geradezu verschwinden. Beachten wir nemlich die Stellung, in welche gerade in diesem Augenblick die Wissenschaft des Christenthums durch die neueste Wendung der Philosophie in Deutschland gebracht ist: so handelt es sich nicht mehr darum, auf welche Weise der Mensch vor Gott gerechtfertigt werde, ob durch den Glauben, oder der Hände Werk, es handelt sich nicht mehr darum, auf welche Weise wir die Gegenwart des Herrn im Sacrament zu verehren haben handelt sich nicht darum, wie noch vor wenigen Decennien, auf welche Art im Christenthume die Offenbarung Gottes