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Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder

 – Mein Sohn, du hast vier große Stiere,
 Und zwei Rosse vom Vater, so schmucke Thiere!
 Du kannst in Tscherkaß lustig und in Freuden leben,
 Was willst du dich unnütz in Gefahr begeben? –

 „Was hilft es mir hier in Freuden zu leben,
 Den Kosacken Schmausereien und Feste zu geben?
 Betrunken werden sie sich über mich lustig machen
 Und mich als einen Feigling verspotten, verlachen!
 Und außerdem macht’s mir nicht Ehre noch Vergnügen
 Einem Bauersmann gleich das Feld zu pflügen,
 Meine gelben Stiefel im Koth zu beschmutzen,
 Meine kostbaren Kleider hinter’m Pflug abzunutzen.
 Mich treibt es zu Tahin[1] der Stadt von hinnen,
 Dort ritterlichen Ruhm und Ehre zu gewinnen!“

So sprach er, erbat seiner Mutter Segen,
Nahm Abschied von Haus und ritt verwegen
Zum Thale von Tcherkenje, seinen Brüdern entgegen.

*               *
*


     Das ist kein heller Falk, der fort
 Vom Thal den Fittig schwingt –


  1. Tahin – ist jetzt nur noch ein kleines Dorf Tahinza genannt, im Gouvernement Cherson, zwischen dem Flusse Ingulza und der Stadt Berislaw gelegen. Die Tahinka fällt etwa eine Meile tiefer als die Ingulza in den Dniepr. Alle diese Flüsse befinden sich am rechten Ufer des Dnieprs.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder. J. G. Cotta, Stuttgart u. Tübingen 1845, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_poetische_Ukraine_(1845).pdf/128&oldid=- (Version vom 11.1.2023)