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Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder

Wollte Gott meine heißen Gebete erhören:
Wie wollt’ ich hinfort meine Eltern ehren!
Nie würde ich wieder meinen Bruder betrüben,
Meine Schwester wie eine Mutter lieben!“

Als noch Alexis, Sohn des Priesters, seine Beichte sprach,
Ließ der Sturm auf dem schwarzen Meere nach;
Die Flotte ward gerettet durch des Höchsten Hand,
Und kam glücklich bei der Insel von Tentra[1] an’s Land.

Alsdann die Kosacken standen und staunten sehr,
Daß die Flotte nicht versunken im schwarzen Meer,
Und kein Einz’ger ertrunken vom ganzen Heer.

Und Alexis, Sohn des Priesters, aus dem Schiffe ging,
Nahm die heilige Schrift, an zu lesen fing,
Erklärt sie den Kosacken, die ihn aufmerksam hören,
Und spricht zu ihnen, giebt ihnen weise Lehren:
„Treu sollen wir, Brüder, unsern Nächsten lieben,
Nie durch böse That Vater und Mutter betrüben;
Den Menschen, die gerecht vor dem Herren steh’n,
Wird es wohl auf Erden und im Himmel geh’n!
Des Mörders Schwert bringt ihnen nicht den Tod,
Der Eltern Gebet führt sie durch Sturm und Noth,


  1. Tentra – Insel unweit des Dnieprs dem Kap Kimbur gegenüber gelegen.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder. J. G. Cotta, Stuttgart u. Tübingen 1845, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_poetische_Ukraine_(1845).pdf/142&oldid=- (Version vom 11.1.2023)