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Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder

 Zehnte Duma.

 Paley[1] in Sibirien.

Hoch steigt die Sonne Morgens,
     Tief Abends untergeht –
Lebte früh Herr Paley in Freuden,
     Traf ihn das Unglück spät!

Hell scheint die Sonne Morgens,
     Verdunkelt sich zur Nacht;
Herr Paley, groß und mächtig einst,
     Jetzt in Sibirien klagt.

„Und hör’ mich, braver Bursch’ du,
     Komm mit mir, treuer Knapp’!
Komm mit mir um zu beten
     Zu Gottes Kapelle hinab!

Ich will inbrünstig beten,
     Knie’n vor dem Heil’genbild;
Ich bin wie ein Greis gemagert,
     Und nichts mein Wehe stillt!


  1. Paley, Sohn eines einfachen Kosacken, lebte gegen das Ende des XVII. und zu Anfange des XVIII. Jahrhunderts. (Er starb den 18. Januar 1710). Es ist dies ohne Zweifel die poetischste Person in der ganzen Geschichte Kleinrußlands. Sein Leben war ein fortwährender Kampf gegen die Polen, Tartaren, Türken, Schweden u. s. w. Todfeind von Maseppa, gerieth er zweimal auf Veranlassung desselben in Gefangenschaft. Das erste Mal sperrten ihn die Polen in Magdeburg ein, von wo er mit Hülfe seiner treuen Kosacken wieder entwich; das zweite Mal wurde er nach Sibirien verbannt, jedoch nach dreijährigem Exil von Peter dem Großen zurückgerufen. Es geschah dieses kurz nach dem Verrath Maseppa’s.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder. J. G. Cotta, Stuttgart u. Tübingen 1845, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_poetische_Ukraine_(1845).pdf/144&oldid=- (Version vom 31.12.2022)