Verschiedene: Die zehnte Muse | |
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Er saugt an seinem Weichselrohre
Da flüstert sie an seinem Ohre:
»Nein, Otto, sieh blos die Person!«
Er schaut, – dort, wo die Schatten dunkeln
Um einen Oleanderstrauch,
Vernimmt ein ruchlos Kichern auch.
Ein Mädel vom Ampezzothale,
In blütenweissem Faltenhemd
Und schwarzem Mieder, auf das schmale
So kokettiert die kleine Schlange
Mit einem hübschen Lieutenant,
Der streichelt ihr die braune Wange
Und löst ihr seidnes Schürzenband.
Die schönste Rose just sie reicht …
Wie thut ein flotter Kaiserjäger
Sich doch bei diesen Mädeln leicht!
Assessor Otto starrt erblassend,
Und, die Cigarre ausgehn lassend,
Fährt er sich durch das Borstenhaar.
Wär’s etwas länger nur gewesen,
Vor Wut hätt’ er sich’s ausgerauft:
Und nun um schnödes Geld verkauft!
Wie duftete die blütenschwere,
Die südlich süsse Maiennacht!
Um ihn nur gähnt die öde Leere – –
Man muss doch seiner Pflicht genügen,
Ihn schaudert, wenn er nur dran denkt!
Vermutlich wird sie Kinder kriegen,
Soviel als ihr der Himmel schenkt!
Plattnasig wie die Frau Mama,
Philister, freudenarme Tröpfe,
Gleichwie ihr Krämer-Grosspapa!
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/161&oldid=- (Version vom 31.7.2018)