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Seite:Die zehnte Muse (Maximilian Bern).djvu/161

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Verschiedene: Die zehnte Muse


Er saugt an seinem Weichselrohre

70
     Und auch am fünften Glase schon,

Da flüstert sie an seinem Ohre:
     »Nein, Otto, sieh blos die Person!«

Er schaut, – dort, wo die Schatten dunkeln
     Um einen Oleanderstrauch,

75
Sieht er vier schwarze Augen funkeln,

     Vernimmt ein ruchlos Kichern auch.

Ein Mädel vom Ampezzothale,
     In blütenweissem Faltenhemd
Und schwarzem Mieder, auf das schmale

80
     Wieghüftlein keck die Faust gestemmt. –


So kokettiert die kleine Schlange
     Mit einem hübschen Lieutenant,
Der streichelt ihr die braune Wange
     Und löst ihr seidnes Schürzenband.

85
Von ihrer Brust dem Schnurrbartträger

     Die schönste Rose just sie reicht …
Wie thut ein flotter Kaiserjäger
     Sich doch bei diesen Mädeln leicht!

Assessor Otto starrt erblassend,

90
     Wie auf ein Schrecknis, auf dies Paar,

Und, die Cigarre ausgehn lassend,
     Fährt er sich durch das Borstenhaar.

Wär’s etwas länger nur gewesen,
     Vor Wut hätt’ er sich’s ausgerauft:

95
Ein Mann zum Höchsten auserlesen –

     Und nun um schnödes Geld verkauft!

Wie duftete die blütenschwere,
     Die südlich süsse Maiennacht!
Um ihn nur gähnt die öde Leere – –

100
     Und dies ist seine Hochzeitsnacht!


Man muss doch seiner Pflicht genügen,
     Ihn schaudert, wenn er nur dran denkt!
Vermutlich wird sie Kinder kriegen,
     Soviel als ihr der Himmel schenkt!

105
Das werden lauter Sauertöpfe,

     Plattnasig wie die Frau Mama,
Philister, freudenarme Tröpfe,
     Gleichwie ihr Krämer-Grosspapa!

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/161&oldid=- (Version vom 31.7.2018)