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Verschiedene: Die zehnte Muse

Der alte und der junge Hase.

Der junge Has’ zum alten spricht:
„Ich muss den Menschen loben,
Er ist im Grund so übel nicht,
Ich habe davon Proben.

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Den Fuchs, der unser Volk bedroht,

Den hat er heut gefangen;
Ich sah den Räuber mausetot
In einer Falle hangen.

Ein freies Leben führen wir

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Fortan in Klee und Kresse.

Auf, lohnen wir dem Menschentier
Mit einer Dankadresse!“

Der Alte spricht: „Du liebe Not!
Den Menschen kenn’ ich besser.

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Ich weiss ein Lied vom Hasenschrot,

Von Topf und Küchenmesser.

Es fängt der Mensch mit Witz und List
Den roten Schelm im Eisen,
Denn, wenn der Fuchs die Hasen frisst,

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Kann sie der Mensch nicht speisen.“


Rudolf Baumbach.




Diplomatischer Rat.

Ein Marder frass die Hühner gern,
Doch wusst’ er nicht, wie sie erhaschen;
Er fragt den Fuchs, ’nen alten Herrn,
Dem Steifheit schon verbot das Naschen.

5
Der sagt ihm: „Freund, der Rat ist alt,

Was hilft zu zögern, brauch Gewalt!“ –

Der Marder stürmt in vollem Lauf,
Die Hühner aber flattern auf,
Die einen gackernd, kreischend jene,

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Gerade in des Fuchses Zähne,

Der gegenüber lauernd lag
Und mühlos hielt den Erntetag.

Wenn du nach Hühnern lüstern bist,
Frag’ keinen, der sie selbst gern frisst!


Franz Grillparzer.
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Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/245&oldid=- (Version vom 31.7.2018)