Verschiedene: Die zehnte Muse | |
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Sprachenkampf.
Zu Aesops Zeiten sprachen die Tiere,
Die Bildung der Menschen ward so die ihre;
Da fiel ihnen aber mit einmal ein,
Die Stammesart sollte das Höchste sein.
Zu heulen war des Wolfs Begehr,
Mich lüstets, zu blöcken, sagte das Schaf,
Nur Einer, der bellt, schien dem Hunde brav.
Da wurden sie wieder allmählich Tiere
Die Wachtel und ihre Kinder.
Hoch wallte das goldene Weizenfeld
Und baute der Wachtel ein Wohngezelt.
Sie flog einst früh in Geschäften aus
Und kam erst am Abend wieder nach Haus.
Ach, Mutter, wir schweben in grosser Gefahr!
Der Herr dieses Feldes, der furchtbare Mann,
Ging heut mit dem Sohn hier vorbei und begann
Der Weizen ist reif, die Mahd muss gescheh’n,
O, sagte die Wachtel, dann hat es noch Zeit!
Nicht flugs sind die Nachbarn zu Diensten bereit.
Drauf flog sie des folgenden Tages aus
Und kam erst am Abend wieder nach Haus.
Ach, Mutter, wir schweben in neuer Gefahr!
Der Herr dieser Feldes, der furchtbare Mann,
Ging heut mit dem Sohn hier vorbei und begann:
Uns liessen die treulosen Nachbarn im Stich!
Wollt ihr meinen Vater recht wohlgemut seh’n,
So helfet ihm morgen sein Weizenfeld mäh’n!
O, sagte die Wachtel, dann hat es noch Zeit!
Nicht flugs ist die Sippschaft zur Hilfe bereit.
Und kam erst am Abend wieder nach Haus.
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/246&oldid=- (Version vom 31.7.2018)