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Verschiedene: Die zehnte Muse

Und durch die Lücken schwärmten Fliegen

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In Hülle und in Fülle ein,

Die Spinnen sagten: Gottes Güte
Regierte sichtbarlich den Stein!

Sie falteten die Vorderbeine
Und dankten ihm, der alle nährt,

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Und haben dann mit frommen Sinnen

Die Fliegen reinlich aufgezehrt.

Doch meinte deren Schwarm hinwieder –
Der rings bestrickt vom Tod sich fand –
Die Scheiben habe ausgebrochen

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Der Satan mit selbsteigner Hand.


Entging den grimmen Stricken eine,
Durch Gottes Huld hielt sie sich frei,
Und ward sie dennoch aufgefressen,
So meint’ sie, dass es Prüfung sei.

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Das gilt von Fliegen und von Spinnen,

Die an Vernunft nicht überreich;
Doch sind wir klugen Menschen ihnen,
Gottlob, in keinem Punkte gleich.


Ludwig Anzengruber.




Das Infusorium.

War einst ein Infusorium –
Es war das grösste um und um
In seinem Wassertropfen,
Es sass und dacht’: »Wer gleichet mir?

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Was bin ich für ein riesig Tier!

Ich bin so gross! – soweit man sicht,
Erschaut man meinesgleichen nicht!«

     Kam eine Maus an diesen Ort –
Die hatte Durst und trank sofort

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Den ganzen Wassertropfen

Mit samt den Infusorien all –
Fünfhundertausend auf einmal.
Gar mancher Mensch ist solch ein Thor
Wie dieses brave Infusor!


Heinrich Seidel.



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Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/261&oldid=- (Version vom 31.7.2018)