Verschiedene: Die zehnte Muse | |
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Im Bureau.
Der einst die Krone flotter Burschen war,
Der Keckste in der übermüt’gen Schar,
Dem keiner gleichkam, der sie alle schlug
Auf der Mensur wie bei gefülltem Krug,
Vor dem Philister zitterten und bebten
Wie Espenlaub, liess er von fern sich schau’n, –
Vor dem, wenn er nur zuckte mit den Brau’n,
Der Manichäer voll Entsetzen floh:
Wo er nicht mehr als jeder andre gilt,
Und vor ihm steht sein strenger Chef und schilt.
Sein Chef! Ein Männlein, um mit einem Hauch
Es wegzublasen wie Cigarrenrauch!
Niemals gewusst, was sich auf Tusch gebührt,
Der leise sich, von Weiberhand gegängelt,
Durchs Leben hat und in das Amt geschlängelt,
Ein Mensch, der nie als Zecher sonder Wank
Und solch ein Wicht, solch ein erbärmlich Wesen
Nimmt es heraus sich, ihm den Text zu lesen,
Ihn abzukanzeln, zu ermahnen ihn!
Weit ist führwahr die Anmassung gedieh’n
Welt, du erlebst dies und du gehst nicht unter?
Kann der Gescholtne wirklich das ertragen?
Soll er den Tadler nicht zu Boden schlagen,
Ihn schütteln, bis er auseinander fällt,
Zum mindesten für diese Lästerungen
Ihm aufzubrummen einen dummen Jungen,
Dafür, dass er dergleichen sich erfrecht,
Wär’ doch nicht mehr als billig nur und recht!
Den Kopf er auf die Akten, schluckt und – schweigt.
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/282&oldid=- (Version vom 31.7.2018)