Verschiedene: Die zehnte Muse | |
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Nur fort, nur fort aus diesem Waldesdämmer,
Sie flieht, sie irrt, wohin? nur fort, nur fort,
Gehetzt von ihren folternden Gedanken! –
Der Tag schritt vor. Durch Feld und Sumpfgestrüppe.
Dem Wege fern, da frohe Menschen zogen,
Der einsam Wandernden ein ängstend Droh’n,
Verhallte fernhin aus der Stadt Getriebe. –
Schon blitzt es funkelnd auf, bald hier, bald da,
Aus grauem Dunst, der um die Türme brütet,
Wo dieses Meer in letzten Wogen brandet,
Da wirft es eklen Abschaum an das Land.
So trieb auch hier ein lauerndes Gesindel
Sein Wesen, stets bereit zu schlimmer That.
Das schien ein guter Fund. Gemeine Gier,
Sie grinste roh aus breitgezogenem Munde,
Und wüste Worte zischten an ihr Ohr.
Begehrend streckte sich die freche Faust
Als sie mit letzter, banger Kraft entfloh,
Verfolgte sie wie eine schmutzige Welle.
Da nahte Schutz. Der Wächter des Revieres
Schritt eilend nun der Zitternden entgegen.
Und Argwohn war des Mannes harte Pflicht!
Die Flüchtende, was führte sie hierher,
In diese Gegend und um diese Stunde?
Trieb Schuldbewusstsein sie? – Er frug, – sie schwieg;
Sich an die blutend frische Wunde legte.
Kein Ohr erfahre je der Seele Qual,
Die jungfräulich sie fest in sich verschloss.
Sie litt und schwieg. – Der Argwohn aber wuchs,
Die Dirne werde schon gestehen müssen.
In dumpfem Sinnen schritt sie vor ihm hin. –
Von ferne tauchten auf vergangene Tage,
Die Kinderzeit, der Mutter zartes Bild,
Nach dem die Hand sie durstig ausgestreckt,
Das aber jäh zerbrach, da sie es fasste.
In wirrem Fluge[WS 1] drang es auf sie ein,
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Flnge
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 318. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/324&oldid=- (Version vom 26.5.2021)