Zum Inhalt springen

Seite:Die zehnte Muse (Maximilian Bern).djvu/351

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die zehnte Muse

Frühling.

Frau Mutter Erde ist schwer zu wecken,
Drei Monde liegt sie im Federbett
Und hüllt sich bequem in schneeige Decken,
Als wenn sie nichts zu sorgen hätt’.

5
Da springt Fräulein Sonne, die treulich versehen

Die ganze Wirthschaft, eifrig heran:
Madam, ich bitte aufzustehen,
Besuch ist da, der Frühling klopft an.

Und Mütterchen gähnt mit schläfriger Miene:

10
O weh! muss es denn wirklich sein?

So bring mir mein Kleid, du weisst schon, das grüne,
Das mit den Blumenstickerei’n.

Kämm’ aus dem Haar mir die welken Blüten,
Und streu mir Perlen ein von Thau,

15
Gieb um den Hals ein goldenes Kettchen

Und an den Gürtel ein Veilchen blau.

Dann führe den Gast ins feinste Zimmer
Und knix’ und sage voll Höflichkeit:
Ich bitt schön, setzen Sie sich immer,

20
Die gnädige Frau sind gleich so weit!




Hannchen beim Pfarrer.

O Herr, des Nachbars Valentin,
Der stahl mir gestern meinen Haber,
Er stahl – ihn mir, er stahl – mir ihn,
Es war nur eine handvoll – aber –

5
Am Haber hing mein kleines Huhn,

Es hat so gern an ihm geklaubt;
So hat er mir den Haber nun
Und auch mein kleines Huhn geraubt.

Mein ganzes Herz hing an dem Tier,

10
Es war so fett und schwarz wie Kohlen,

Jetzt hat der Strolch das Hühnchen mir
Und auch – mein ganzes Herz gestohlen.


P. K. Rossegger.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 345. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/351&oldid=- (Version vom 31.7.2018)