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Verschiedene: Die zehnte Muse

Kindliche Unterhaltung.
In Frankfurter Mundart.

Fritzchen rief zum Fenster ’naus
Zu des Nachbars Klärche:
»Eetsch! mer kriehn uff unser Haus
Doch e Bellvedeerche!«

5
Un den Klärche rief enuff

Neidisch zu dem Biebche:
»Eetsch! mer kriehn doch aach was druff!
Eetsch! und schawe Riebche!

Hat gesagt mei’ Vatter doch

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Ehrscht vor e par Däg,

Dass e Hypothek er noch
Uff des Haus jetz’ kräg!«


Friedrich Stolze.




Berliner Schusterjunge.

Der fröhlichste Knirps auf der ganzen Welt,
Der seine Sache auf nichts gestellt,
Ob alles sich dreh im Schwunge –
Der immer kalauert, singt und pfeift

5
Und alles verzeiht, weil er alles begreift;

Ist unser Schusterjunge!

Tagüber kauert der kleine Wicht
Im Keller bei dürftigem Sonnenlicht,
Putzt Stiefel und schält Kartoffel.

10
Der Meister gerbt ihm tüchtig das Fell,

Die Meisterin schilt ihn – und Bursch und Gesell,
Die nennen ihn Stiesel und Stoffel.

Ein trauriges Leben – getreten, geduckt;
Und manches heimliche Thränlein schluckt

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Der arme Bursche hinunter.

Sein Los ist so schwarz wie sein Lederschurz
Ein Glück, dass der Jugend Gedächtnis so kurz:
Im Nu ist sie fröhlich und munter.

Am liebsten besucht er Strass auf und ab

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Die Häuser der Kunden im Dauertrab,

Da fühlt er sich neugeboren.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 350. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/356&oldid=- (Version vom 31.7.2018)