Zum Inhalt springen

Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/151

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

10) Donnerstag. Schillers hundertjährige Geburtstagsfeier. Um 8 Uhr Morgens ertönen alle Kirchenglocken der Stadt. Dieses Festgeläute ist aber zugleich Reißigers Grabgeläute, der diesen Morgen zur Erde bestattet wird. Bei meinem Gang nach dem Museum wende ich mich zuerst nach dem Altmarkt, wo eine kolossale Statue Schillers (von Schilling) errichtet worden ist. Um 11 Uhr wird dieselbe von einem auf dem Balkon des festlich geschmückten Rathhauses aufgestellten Musikcorps feierlich begrüßt. Der Platz ist mit Tausenden von Menschen bedeckt. Die Statue ist trefflich ausgefallen, und es verdiente die in fünf Tagen aufgebaute Figur in edlem Material späteren Zeiten erhalten zu werden. Die Festlichkeiten, welche sich dieser Feier anschließen, muß ich unbeachtet lassen ... Gegen 8 Uhr gehe ich mit den Meinigen nach dem Altmarkt, der, wie die ganze innere Stadt, illuminiert ist und das kolossale Standbild Schillers in wirkungsvoller Beleuchtung zeigt. Dann verfügen wir uns nach dem Museum und betrachten den sehr brillanten Fackelzug von der Wohnung des Hausmanns Hirschberger aus ... Was uns Alte doch besonders erfreut, ist die Erfahrung, daß in der Feier des großen deutschen Dichters ganz Deutschland sich einig zeigt und daß heute nicht nur hier, sondern in allen Städten des großen deutschen Vaterlandes begeisterte Herzen dankbar sich erheben ...

11) Freitag ... Das Dresdner Journal bringt einen sehr schön geschriebenen und überaus interessanten Bericht über das Schiller-Fest. Die Rede, welche der Staatsminister von Beust an Vorabend des Hauptfestes bei dem Festbankett im Saale der Harmonie gehalten hat, ist vortrefflich. Ueberhaupt war die Schiller-Feier eine sehr würdige und durch eine edle Begeisterung getragene.

12) Samstag ... Da morgen die am Schiller-Tag gegebene Festvorstellung (Glocke, Wallensteins Lager) wiederholt wird, so begebe ich mich zum Cassierer, um Billet für Frau, Tochter und mich zu besorgen; ich höre aber, daß kaum der zwölfte Theil der Anforderungen befriedigt werden konnte und für mich nichts mehr übrig ist ... Am Abend sah ich noch einmal die Schiller-Statue auf dem Altmarkt, die nun heute zum dritten und letzten Mal beleuchtet ist. Sie ist sehr wohl gelungen und macht Schilling Ehre.

16) Mittwoch ... 1/2 8 Uhr zu Langbein. Das lange besprochene Herrenkränzchen tritt mit heute ins Leben. Wir kommen heute in der Art zusammen, wie wir nun allwöchentlich einmal uns vereinen wollen. Die Mitglieder sind: Langbein, Dr. Heymann[1], Dr. Seifert[2], Dr. Häpe[3], Andreä und ich ... Wir unterhalten uns heute herrlich, und ehe wirs uns versehen, wird es 1/2 12 Uhr; da springen wir aber auseinander.

17) Donnerstag ... Zum Herrn Minister ... Ich werde dann befragt wegen der Porträts Sr. Majestät des jetzigen und des höchstsel. Königs für die Universität Leipzig und schlage hierzu Gonne vor, welcher schon früher ein sehr ähnliches Porträt des jetzigen Königs in ganzer Figur gemalt hat ...

18) Freitag. Bußtag ... Peppi und Gey trinken mit uns den Thee. Wir besehen die erste Lieferung eines neuen Werkes: das illustrierte Leben und Leiden Jesu und der Jungfrau Maria. Text von Schanzenbach, Holzschnitte nach Overbecks Zeichnungen. Ich möchte das Werk mir wohl anschaffen; die Bilder haben bei der Uebertragung durch meinen Namensvetter, J. Schnorr in Stuttgart[4], aber gar zu sehr gelitten. Ich hole die Copien Dürerscher Holzschnitte herbei, die in Nürnberg herauskommen unter Krelings und Kaulbachs Leitung. Was ist das für ein ganz anderer Vortrag! Gegen Dürer muß freilich alles weit zurückstehen.

19) Samstag ... 12 Uhr Galerie-Kommission. Es kommen Peschel und Hübner ... Es entspinnt sich ein lebhaftes Gespräch über einen Antrag, den Hübner in Aussicht stellt und schon heute zur Sprache bringt, den Antrag nämlich, das Glas über der Holbeinschen Madonna zu entfernen. Die Vorrichtung zu dessen Beibehaltung bei der neuen Aufstellung der Madonna ist Hübner unbequem, und nun meint er auf einmal, das Bild habe das Glas nicht nöthig. Das Bild ist allerdings fest und in durchaus gutem Stand, auch ist zwischen dem neuen Museum und dem Stallgebäude ein Unterschied; doch bin ich der Ansicht, daß die Frage eine Principienfrage und nicht bloß im Hinblick auf das Holbeinsche Bild zu beantworten sei ...

23) Mittwoch ... Abends 1/2 8 Uhr stelle ich mich bei Carus ein, wohin ich nebst einer größern Anzahl von Herren zu einer Vorlesung beschieden bin. Carus liest eine Abhandlung über den Mythus der Psyche, der eine sehr interessante Darstellung der Entwickelungsgeschichte des Schmetterlings vorangeht. Ich finde die Abhandlung sehr interessant und sehr schön ...

25) Freitag Um 10 Uhr finden sich auf Einladung einer Finanzdeputation einige Mitglieder des

Weber-Komitee auf dem Platze hinter dem Theater


  1. Dr. med. F. Mor. Heymann, Augenarzt.
  2. Dr. med. Gustav Seifert, Arzt.
  3. Hugo Häpe, damals Regierungsrath, gest. 1902.
  4. Die Erwähnung dieses Namensvetters gibt mir Gelegenheit, einen Irrthum in dem 1897 erschienenen „Katalog der Bibliothek der Königl. Akademie der bildenden Künste zu Dresden“ zu berichtigen, der darin besteht, daß S. 101 in einer und derselben Liste mit der „Bibel in Bildern“ und anderen Werken des Verfassers vorliegender Tagebuchnotizen auch aufgeführt wird: „Goethe, Reineke Fuchs. Mit Zeichnungen von W. v. Kaulbach. Auf Holz gezeichnet von Jul. Schnorr. Stuttgart 1857.“
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/151&oldid=- (Version vom 10.9.2024)