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Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904)

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Textdaten
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Autor: Dr. Otto Richter (Hrsg.)
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Titel: Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904)
Untertitel: erschienen in der Reihe: Dresdner Geschichtsblätter
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Herausgeber: Verein für die Geschichte Dresdens
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1901–1904
Verlag: Wilhelm Baensch Dresden
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Erscheinungsort: Dresden
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Quelle: Commons
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[I]
Dresdner Geschichtsblätter.




Im Auftrage des Vereins für Geschichte Dresdens


herausgegeben
von
Dr. Otto Richter,
Rathsarchivar.




Dritter Band,
umfassend die Jahrgänge X–XIII (1901–1904).




Dresden
Druck und Verlag von Wilhelm Baensch.

[II]

[III]
Inhaltsübersicht.

1. Ortskunde.
Zur Geschichte der Wilsdruffer Vorstadt, von H. Haug, 101. 125.
Zur Geschichte des Jakobshospitals, von H. Haug, 131.
Zur Geschichte des Kurländischen Palais, von A. Fiedler, 149.
Die Hoflößnitz bei Dresden, von H. Beschorner, 209. 259.
Zur Geschichte der Hofmühle in Planen bei Dresden, von A. Hantzsch, 28.
2. Zeitereignisse.
Prinz Friedrichs Hochzeit und Tod 1539, von O. Richter, 273.
Glückwunsch des Rathes zu Dresden zur Chronbesteigung Kurfürst Christians I., von O. Richter, 32.
Die Oesterreicher in Dresden 1809, von L. Schmidt, 73.
Napoleon in Dresden 1812 und 1813, von Fr. Aster, 85.
Die Ueberlieferung und Legende der Schlacht bei Dresden 1813, von Fr. Lüdtke, 279.
Erlebnisse eines Dresdner Kommunalgardisten in den Maitagen 1849, von P E. Richter, 1.
3. Kirchengeschichte.
Das kirchliche Leben Dresdens im Jahrhundert der Orthodoxie, von P. Flade, 34.
Das kirchliche Leben Dresdens im Zeitalter des Rationalismus, von P. Flade, 114.
4. Rechts, Wirthschafts- und Kulturgeschichte.
Mittelalterliches Scheffelmaß, von O. Mörtzsch, 285.
Zur Geschichte des Augustusbrückenzolls, von O. Lehmann, 262.
Die Kriegsdienste der Pflege Dresden im Jahre 1445, von O. Mörtzsch, 177.
Ausschreiben und Schießordnung zu einem Armbrustschießen in Torgau 1489, von O. Richter, 226.
Aus alten Dresdner Gerichtsbüchern (1531), von O. Richter, 60.
Aufwand eines Dresdner Brautpaares in der Rokokozeit, von O. Richter, 169.
5. Kunst und Litteraturgeschichte.
Der bildnerische Schmuck am Pirnischen Thore, von R. Bruck, 98.
Bestallung eines kurfürstlichen Bibliothekars aus dem Jahre 1586, von O. Richter, 201.
Eine Dresdner Kunstsammlung vor 300 Jahren, von V. Hantzsch, 157.
Zur Geschichte des geistigen Lebens in Dresden vor 300 Jahren, von V Hantzsch, 249.
6. Biographie.
Johannes Drändorff, der erste mit Namen bekannte Kreuzschüler, von O. Meltzer, 21.
Aus dem Testamente Elisas von der Recke, von P. Rachel, 229.
Ein Brief Ludwig Richters, von O. Richter, 18
Rietschel und Hähnel Zwei Briefe von O. Richter, 16.
Aus Julius Schnorrs Tagebüchern, von F. Schnorr von Carolsfeld, 9. 38. 62. 157. 166. 181. 201.
Zur Geschichte der Familie Stübel, von M. Stübel, 62.
Treitschke and die Kreuzschule, von O. Richter, 247.


Todtenschau 1899–1904: 18. 85. 100. 175. 227. 248. 286.
Vereinsangelegenheiten 19. 52. 84. 100. 123. 176. 228.
Abbildungen:
Reiterstandbild Christians I. 98.
Christoph August Graf von Wackerbarth 150.
Johann Georg Chevalier de Saxe 151.
Karl, Herzog von Kurland 153.
Das Kurländische Palais 155.
Plan der Hoflößnitz 214.
Die Hoflößnitz im 17. Jahrhundert 217.
Die Hoflößnitz 1904, 1 Außen- und 5 Innenansichten 222.

[NN] es habe bei Dresden den wälschen Kaiser „noch einmal, zum letzten Male auf deutschem Boden, die Herrlichkeit des Sieges umstrahlt“.

So schön diese Phrase auch klingt – sie ist nicht wahr. Wenn ich nun in wenigen Sätzen die Reihe der Ereignisse darzustellen versuche, so muß ich für alle Einzelheiten und besonders deren Begründung auf meine Sonderuntersuchung hinweisen.

Die kombinirte böhmische Armee erhält Nachrichten, nach denen Kaiser Napoleon gegen die schlesische bezw. die Nordarmee marschirt sei. Dem allgemeinen Programm gemäß verläßt erstere jetzt Böhmen; sie geht nach Sachsen, bedroht Dresden, den Mittelpunkt der Operationen Napoleons, und erreicht, was sie gewollt: die Ablenkung des Kaisers von den beiden anderen Armeen, deren Siege über die einzelnen französischen Generäle – Großbeeren, Katzbach, Hagelberg – durch das Verhalten der Hauptarmee erleichtert oder erst ermöglicht werden. Dem Programm getreu läßt sich die Hauptarmee nicht in einen Entscheidungskampf mit Napoleon ein; am 26. August sieht sie, da nach der Ankunft des Kaisers ein „coup de main“ auf Dresden nicht mehr gelingen könne; am 27. liefert sie, um Zeit für die Rückdirigirung ihres Trosses zu gewinnen, Rückzugsgefechte, die sich im Ganzen auf eine lebhafte Kanonade beschränken. Nur auf den Flügeln kommen größere Truppentheile ins Nahgefecht. Gegen den linken Flügel der Verbündeten erringt Napoleon Erfolge, gegen Zentrum und rechten Flügel vermag er nichts. Seine eigenen Verluste sind beträchtlich. Napoleon erwartet, daß die Verbündeten, die nichts weniger als besiegt sind, am 28. August sich ihnen zur wirklichen Schlacht stellen werden. Aber deren Programm ist erfüllt, sie gehen nach Böhmen zurück. Napoleon täuscht sich in ihrer Rückzugslinie, wodurch eine Verfolgung illusorisch wird. Auf dem Rückzuge vernichten die Alliirten noch das Korps Vandamme in der Schlacht von Kulm und Nollendorf, und weiterhin erreichen sie dann ungefährdet Böhmen.

Die Mission ist also – von Einzelheiten abgesehen, die auf den Gang des Ganzen keinen Einfluß hatten – bestmöglich erfüllt worden: Die Hauptarmee hat Napoleon auf sich gezogen, hat ihm an zwei Tagen ohne größere Verluste und ohne daß es zur eigentlichen Schlacht kam, die Stirn geboten und erfocht zuletzt, als sie programmgemäß zurückging, den Sieg über Vandamme.

Diesen klaren und günstigen Verlauf der Dinge nun hat die Legende merkwürdig entstellt und verfälscht. Die Frage, wie solche Legendenbildung entstanden ist und entstehen konnte, soll uns im Folgenden beschäftigen. Wir werden zusehen, welche Beurteilung der Dresdner Zug bei den Mitkämpfern, den Kommandirenden, den Berichterstattern, der Presse und der späteren Darstellung gefunden hat.

Fassen wir zunächst ins Auge, wie die Verbündeten selber geurtheilt haben.

Die offiziöse Darstellung, wie sie uns in Armeebefehlen, Briefen, Zeitungsartikeln u. s. w. erhalten ist, deckt sich – das werden wir sofort sehen – im Ganzen etwa mit dem thatsächlichen Hergang der Ereignisse.

Der offizielle Bericht des Kgl. Preußischen. Militär-Gouvernements (Stargard, den 5. September 1815) besagt:

„Ein Theil der kombinirten Böhmischen Armee konzentrirte sich am 26. August vor Dresden und machte den Versuch, diese Stadt mit einem coup de main zu nehmen. Obgleich der Angriff am 27. August wiederholt und von den vereinten Truppen mit außerordentlicher Tapferkeit gefochten ward und einige Schanzen genommen wurden, so konnte der Zweck doch nicht erreicht werden, da der Kaiser Napoleon sich in der Stadt mit einer bedeutenden Macht befand, welche den starkverschanzten Platz hartnäckig verteidigte. Die kombinirte Armee zog sich darauf gegen Böhmen zurück.“[1]

Das vom Hauptquartier Teplitz am 31. August herausgegebene Extrablatt beginnt mit den Worten:

Der Feind hatte sich über die Ursache unserer rückgängigen Bewegungen getäuscht[2] und unternahm es, uns einzelne Korps nachzusenden.“

Der Armeebericht aus dem Hauptquartier des Fürsten Schwarzenberg vom 29. August, den ich dem „Oesterreichischen Beobachter“ vom 8. September entnehme, enthält u. a. folgendes:

„Der 26. wurde dazu verwendet, durch eine starke Rekognoszirung gegen Dresden . . . die Haltung und Gegenwart des Feindes zu erforschen.“ „Während des Gefechts erfuhr man, daß der Kaiser Napoleon mit seinen Garden zur Unterstützung in der Stadt angekommen war. . . Man schloß daraus, daß die französische Armee Schlesien geräumt habe und also eine vorzügliche Absicht der gemachten Unternehmung erreicht war. Unter diesen Umständen [NN] aber wäre der Versuch zur Wegnahme einer mit Wall und Graben umgebenen, von einer ganzen Armee vertheidigten Stadt Tollkühnheit, die zwecklose Einäscherung dieser unglücklichen Residenz Grausamkeit gewesen. Die vorgerückten Truppen wurden daher in die Stellung auf den Anhöhen vor der Stadt zurückgenommen.“ „Den 27. entfaltete der Feind bedeutende Streitmassen gegen unsern linken Flügel u. s. f.“ (Folgt eine vorsichtige Schilderung der Verluste des linken Flügels sowie die Erwähnung der Kämpfe im Zentrum und auf dem rechten Flügel, gegen welche beide Napoleon nichts ausgerichtet habe. Gegen Abend seien Nachrichten ein gegangen, daß durch Napoleonische Truppen an der Elbe der Rückzug gefährdet sei.) „Diese Bewegungen in unserer rechten Flanke, welche die freie Kommunikation mit Böhmen störten, und die dadurch erzeugte Schwierigkeit, in dem von allen Mitteln entblößten sächsischen Erzgebirge länger zu bestehen, machten es nothwendig, eine Bewegung gegen Böhmen zu machen, um uns unseren Subsistenzmitteln zu nähern. Der Zweck der offensiven Demonstration war erreicht; die Armee des Kronprinzen von Schweden und des Generals von Blücher hatten Freiheit bekommen, sich vorwärts zu bewegen und mit Nachdruck auf Flanken und Rücken des Feindes zu wirken. Der Marsch nach Böhmen wurde daher am 27. in der Nacht angetreten.“

Einen ähnlichen Bericht giebt die „Wiener Zeitung“, den am 16. September die „Vossische Zeitung“ („Königliche Privilegirte Berlinische Zeitung“) abdruckt:

„Am 26. nahm man eine starke Rekognoszirung vor.“ „Man bezog am Abend wieder die Stellung, von welcher man am Morgen zur Rekognoszirung ausgerückt war.“ „Den 27. Morgens von 4 Uhr an bis in die sinkende Nacht fiel ein ununterbrochener Regen; der Wind war Nordost, den verbündeten Armeen ins Gesicht; die Wege wurden grundlos, die Gewehre versagten. . .“ „Inzwischen war der Endzweck, die gegen Schlesien und die kombinirte Armee von Norddeutschland gerichtete. . . Hauptmacht des Feindes abzuziehen und zu theilen, erreicht, und der darauf zu erwartende fernere starke Widerstand in Dresden, welches nunmehr 100–140 000 Mann vertheidigten, das über alle Maßen schlechte Wetter, die Unmöglichkeit, das Geschütz gehörig zu gebrauchen, und die Schwierigkeit, Lebensmittel über das unwegsame Gebirge zu beziehen, vermochten den Oberbefehlshaber. . . die Armee wieder über die böhmische Grenze zu führen.“

Auch ein Bericht des Generals Lottum nach Berlin an das Militärgouvernement des Landes zwischen Elbe und Oder sei hier erwähnt. Er ist datirt aus Kloster Osseck in Böhmen vom 29. August und befindet sich in den Akten des Geheimen Staatsarchivs zu Berlin (R. 74. O. Ap. Vol. III.). Ob er abgesandt ist, erscheint unsicher. In ihm heißt es nach kurzer Schilderung der Hauptattacken vom 26.:

„Es begann hiernach am 27. eine lebhafte Kanonade, die erfolglos geblieben sein würde, wenn der kommandirende Gen.-Feldmarschall F. Schwarzenberg sich nicht dadurch, daß die Absicht, Dresden mit einem coup de main zu nehmen, sowie durch die bei der bösen Witterung und den sehr verdorbenen Wegen äußerst schwierige Verpflegung der Armee bewogen gefühlt hätte, die Armee nach Böhmen zurückzuziehen, nachdem der Zweck erreicht war, die Hauptmacht der feindlichen Streitkräfte nach dem linken Elbufer herüberzuziehen.“

Erwähnenswerth ist vielleicht auch ein Brief Knesebecks an Hardenberg, der sich in den Akten der Geheimen Registratur des Staatskanzlers (Geh. St. A. R. 74. O. Ap. Vol. III.) befindet und der den Erfolg über Vandamme schildert.

„Gottlob,“ heißt es darin, „es geht nun von allen Seiten gut, und der Himmel wird uns ja auch ferner den Sieg geben.“

Diese Worte hätten in dem Bewußtsein einer kurz vorher erlittenen großen Niederlage der verbündeten Hauptmacht wohl kaum geschrieben werden können.

Aehnlich wie der Lottumsche Bericht lauten mehrere Briefe, die von Laun aus am 30. August (z. B. an Blücher) versandt wurden und die bezw. deren Konzepte sich gleichfalls im Geheimen Staatsarchiv zu Berlin (R. 74. O. Ap. Vol. III.) befinden; die Momente, die in ihnen besonders hervorgehoben werden, sind: Der coup de main auf Dresden, die lebhafte Kanonade („une cannonade fort vive“) am 27. August und der Rückzug, für den zumeist äußere Gründe angegeben werden.

Ein Brief des Kgl. Geh. Staatsrath Küster vom 30. August 1813 aus Laun in Böhmen an das Militärgouvernement in Berlin (Geh. St. A. R. 91. A. I. Generalia No. 2. Vol 9.) enthält folgende Stellen:

„Als am folgenden Tage (27.) der Sturm auf die Stadt erneuert werden sollte, war Kaiser Napoleon selbst in Dresden angekommen, und mehrere zahlreiche französische Korps gingen an der oberen Elbe. . . über den Fluß und den Alliirten in die Flanke. Es entstanden auf mehreren Punkten einzelne sehr blutige Gefechte, in welchen das Kriegsglück abwechselnd gewesen zu sein scheint. Nicht sowohl das allgemeine Resultat derselben, als vielmehr die Besorgniß, von dem über die Elbe kommenden Feind ganz tournirt und von Böhmen abgeschnitten zu werden . . . veranlaßte die Alliirten . . . über das Gebirge zurückzugehen.“ Es wird dann u. a. die eben bekannt gewordene Zurückwerfung Wandammes (noch nicht der Sieg über ihn!) bei Kulm berichtet,

  1. Die offiziösen Berichte sind größtentheils auch den Tageszeitungen zum Abdruck übergeben worden. – Beitzke in seiner „Geschichte der deutschen Freiheitskriege“ I S. 373 rügt nun diese Zeitungsberichte. In ihnen sei von „einem Theil der böhmischen Armee“ die Rede, die Ankunft Napoleons wäre nach ihnen Grund für den Rückzug gewesen, und schließlich sei die Unternehmung auf Dresden nur „eine große Auskundung“ genannt worden. . . . Mit Unrecht entrüstet sich Beitzke: jene Zeitungsberichte stellten die Dresdener Unternehmung historisch getreuer dar als er in seinem Buche!
  2. D. h. Wir sind nicht zurückgegangen, weil wir (wie der Feind annimmt) geschlagen sind, sondern aus anderen Gründen, nämlich weil ein Rückzug unserem Programm entsprach!