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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/161

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verloren und verschwand, so z. B. die schönen Schlachtengemälde von Louis de Silvestre, die im Vorzimmer des ersten Stockes hingen, sowie ein schönes Oelgemälde vom Herzog Carl. Erst vor wenigen Jahren wurde dasselbe zufällig auf dem Boden eines Hauses auf der Kreuzstraße wiedergefunden und hat jetzt Aufstellung erhalten im Kasino des Großenhainer Husaren-Regiments, welches vor Kurzem sein 150 jähriges Jubiläum feierte.

Von nun an diente das Palais ganz anderen Zwecken als seither. Im Jahre 1815 wurde es zu einer Chirurgisch-medizinischen Akademie, zu einer Lehranstalt zunächst für Militärärzte, eingerichtet, und zwar ging diese hervor aus dem Collegium medico-chirurgicum[WS 1], welches im Jahre 1747 von August III. gestiftet wurde und sich im Flügel D der Neustädter Infanterie-Kaserne befand[1]. Bereits am 27. November 1815 übernahm Professor Dr. Seiler als Direktor der Akademie das durch Oberlandbaumeister Christian Friedrich Schuricht dem Zwecke entsprechend eingerichtete Palais. Vorlesungen hielten außer Seiler die Professoren D Dr. Raschig, Ohle, Carus, Franke, Weinhold, Ficinus und Haan, und bereits Ende des Jahres 1815 war die Lehranstalt von 188 Studirenden besucht.

Die neben dem Palais, nach dem Brühlschen Garten hin, liegende Oberzeugmeisterwohnung wurde später zum Entbindungsinstitut eingerichtet. Direktoren desselben waren Professor Dr. Hase 1827 bis 1845 und lange Jahre Professor Dr. Woldemar Grenser, geb. am 2. Januar 1812, gest. am 2. Juni 1872. Er wohnte in jenem Gebäude bis zum Jahre 1857. Am 3. August 1816, dem Namenstage des Königs, wurde das Fest der Stiftung der Akademie im Gobelinsaale des Palais mit einem Aktus gefeiert, bei dem Professor Dr. Kreyßig und Professor Seiler die Festreden hielten und die Prinzen Friedrich August, Clemens und Johann, sowie sämmtliche Minister und Spitzen der Behörden zugegen waren. Am 19. September 1818 beging der König sein 50 jähriges Regierungsjubiläum, und an diesem Tage wurde im Gobelinsaale die „Gesellschaft für Natur- und Heilkunde“ gestiftet[2], die noch heute im Kurländischen Palais ihre Sitzungen abhält[3]. Am folgenden Tage wurde dasselbe festlich erleuchtet.

Weiter ist zu erwähnen, daß im Jahre 1819 die Demolirungsarbeiten der Festungswerke begannen, daß die Bastion Mars und der hinter dem Palais gelegene Theil des Walles, der frühere Hasenberg, geebnet und 1820 zu einem Botanischen Garten eingerichtet wurde. Erst im Jahre 1892 wurde derselbe nach der Stübel-Allee verlegt. Der erste Direktor des Gartens war der am 8.Januar 1793 zu Leipzig geborene, 1820 nach Dresden berufene Professor Dr. Ludwig Reichenbach. Und dieser Mann mit dem umfassenden Wissen auf allen Gebieten der Naturwissenschaften wirkte bis zur Auflösung der Chirurgisch-medizinischen Akademie im Jahre 1863 als Mitglied des Professoren-Kollegiums. Er wohnte bis zu seinem im März 1879 erfolgten Tode neben dem Botanischen Garten in den ehemaligen Wirthschafts- und Stallgebäuden des Herzogs von Kurland an der Kleinen Schießgasse[4]. Reichenbachs Nachfolger ist Professor Drude.

Die Akademie, welche bis zu ihrer Auflösung ihren Sitz im Kurländischen Palais hatte, entwickelte während ihres 47 jährigen Bestehens eine sehr rege und segensreiche Thätigkeit. Durch das Verlangen, den Aerzten eine einheitliche Bildung zu geben und nicht mehr Aerzte erster und zweiter Klasse auszubilden, wurde ihre Auflösung im Jahre 1863 herbeigeführt. Viele tüchtige Aerzte, Militär-Aerzte und die sogenannten Medicinae practici, die sich größtentheils auf dem platten Lande niederließen, gingen aus der Chirurgisch-medizinischen Akademie hervor, und die Namen ihrer Lehrer – ich nenne nur Seiler, Kreyßig, Reichenbach, Carus, Choulant, H. E. Richter, von Ammon, Günther, Grenser, Merbach, Zenker u. s. w. – werden noch jetzt mit Achtung und Anerkennung oft genannt. Prosektoren an der Chirurgisch-medizinischen Akademie waren Pech, Meding, Günther, Herberg, Putzer, Degner und Lehmann. In den Parterreräumen befand sich die Bibliothek der Chirurgisch-medizinischen Akademie sowie der „Gesellschaft für Natur- und Heilkunde“ und der Präparirsaal. Im ersten Stock war, im jetzigen Entreesaale, das Anatomische Theater und der Gobelinsaal wurde als Konferenzsaal benutzt. In dem nach der Schießgasse zu gelegenen Nebenhause waren die chirurgischen und inneren Kranken untergebracht. Berühmt war die Sammlung pathologisch-anatomischer Präparate und Rasseschädel, die im großen Saale des Palais und seinen Nebenräumen aufgestellt war. Erstere wurde im Jahre 1863 an die Universität


  1. Der Entwurf zur Wiederherstellung einer chirurgisch-medizinischen Akademie, deren Errichtung sich nach dem Kriege wegen Mangels an Militär-Aerzten dringend nothwendig gemacht hatte, rührt vom Professor Dr. Burkhard Wilhelm Seiler her, geb. am 11. April 1779 zu Erlangen, gestorben am 27. September 1843 zu Freiberg. Seiler war bis zur Einnahme von Wittenberg durch die Franzosen Professor an der dortigen Universität gewesen.
  2. Die Stiftungsurkunde trägt die Unterschrift der Herren Hofrath Leonhardi, Leibarzt; Dr. Kopp; Hofrath Althof, Leibarzt; Geh. Kabinetsrath Heyer; Freiherr von Ackermann; Geh. Finanzrath Blöde; Prof. Dr. Carus; Generalstabsmedicus Raschig; Hofrath Dr. Seiler; Prof. Dr. Ficinus; Oberlandbaumeister Schuricht; Prof. Haan; Prof. Dr. Treutler; Leibchirurg Hedenus; Prof. Brosche; Prof. Franke; Prof. Ohle; Prof. Kreyßig, Leibarzt.
  3. Bis zum Jahre 1896 im Gobelinsaale, in dem sie gestiftet wurde, seitdem im großen Festsaale.
  4. Die Direktoren der Akademie, Seiler, Choulant, Günther, wohnten auf dem Brühlschen Garten in dem oberhalb des ehemaligen Gondelhafens stehenden Hause.

Anmerkungen (Wikisource)

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/161&oldid=- (Version vom 26.10.2024)