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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/220

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mündlich auch in Betreff des Lutherdenkmals sich so ausgesprochen habe. Hettner, der von Hübners Aeußerungen: man müsse die vorzüglichsten Bildhauer Deutschlands zur Vollendung des Werks herbeiziehen, gehört hatte, hat bereits an das Komitee in Worms geschrieben, um solchem Beginnen entgegen zu wirken. Hübner vertritt in der Sitzung diese seine Ansicht nur ziemlich schwach. Heine theilt dem Akademischen Rath noch das Programm mit, welches die Künstlergenossenschaft für das Leichenbegängniß aufgestellt hat.

23) Samstag. Herr Andr. Oppermann kommt am frühen Morgen, um mit mir die Schritte zu berathen, welche dem Wormser Komitee gegenüber wegen der Vollendung des Lutherdenkmals zu thun sind. Ich theile ihm zunächst die Ansicht mit, welche gestern in der Sitzung des Akademischen Rathes in dieser Beziehung einstimmig ist ausgesprochen worden. Ueber das Ziel, welches wir zu verfolgen haben, kann also kein Zweifel sein. Das nächste soll nun sein, daß Oppermann an Dr. Eich schreibt und ihn zu bestimmen sucht, sich hierher zu verfügen, um zu sehen, was gemacht ist, und sich zu überzeugen, daß die Vollendung des Werkes in Dresden durch Rietschels vorzüglichste Schüler und unter dem Beirath von etwa zwei Professoren, unter denen Hähnel die erste Stelle einnehmen müßte, die vollste Bürgschaft für eine einheitliche Durchbildung dieser größten Schöpfung des Meisters gewähre ...

24) Sonntag. Um 11 Uhr wird Rietschels Leiche aus dem Hause getragen. Sie war im Atelier aufgestellt, von Lorbeerkränzen, Palmen und Blumen umgeben. Ehrenwachen waren seit vorgestern Tag und Nacht an ihrer Seite. Der Trauerzug kann sich nur langsam entfalten, er ist unabsehbar. Alle Straßen sind mit Zuschauern bedeckt. Die Adjutanten der Prinzen schließen sich zunächst den Leidtragenden an. Dann folgt der Akademische Rath. Marschälle gehen zur Seite. Minister von Beust reiht sich weiter draußen in den Zug ein, auch von Falkenstein und von Friesen, von Wietersheim stellen sich an der Grabesstätte ein. Der weite Friedhof[1], wo Rietschels Grab ist, wird etwa 1/2 1 Uhr erreicht, da der Zug sich nur langsam bewegt und die Stadt durchschreitet. Diakonus Schulze[2] hält die Leichenrede. Im Namen des Akademischen Rathes spricht Geheimrath Kohlschütter, im Namen der Schüler Donndorf. Die ganze Trauerfeier ist überaus würdig. Das herrlichste Frühlingswetter begünstigte den mehrstündigen Aufenthalt im Freien. Gott tröste die Hinterbliebenen! ...

27) Mittwoch ... Ich suche Donndorf auf, um ihn zu bestimmen, im Namen des Rietschelschen Ateliers an den Akademischen Rath die Bitte zu stellen, daß Professor Hähnel zum Stellvertreter des seligen Chefs ernannt werde. Donndorf ist um so mehr einverstanden mit diesem Vorschlag, als er aus freiem Antrieb schon einleitende Schritte zu einem schriftlichen Gesuch gethan hat. Ich habe bei der Sache besonders das im Auge, daß die Stellvertretung des früheren Atelierchefs durch Hähnel unsere Wünsche wegen der Vollendung des Luthermonumentes in dem Atelier um so eher zum Ziele führen wird ...

März.

2) Samstag. Andreas Oppermann und Donndorf machen mir einen Morgenbesuch, um in der Angelegenheit des Lutherdenkmals mit mir zu reden. Es wird gewünscht, daß ich in der Sache an den Ausschuß des Lutherdenkmal-Vereins in Worms schreibe. Gern werde ich diesen Wunsch erfüllen ... Am Vormittag konnte ich gar nicht, am Nachmittag kaum eine Stunde an meinem Karton arbeiten, da ich um 4 Uhr zur Konferenz bei Geheimrath Carus zu gehen habe. Es findet natürlich nur eine Vorberathung wegen des projektierten Rietschel-Museums statt. Man beschließt, mit einem Aufruf und Einsammlung von Beiträgen zu beginnen und erst dann vor die Regierung (die übrigens in ihren Spizen schon für die Sache gewonnen ist) und die Stände mit einem Gesuch zu treten. Sodann werden mehrere Personen bezeichnet, welche zum Eintritt in das Komitee eingeladen werden sollen. Die Einladung übernehmen die schon heute vereinigten Mitglieder. Ich übernehme es, Hähnel einzuladen, und begebe mich sogleich zu ihm. Es ist mir sehr daran gelegen, Hähnels Einwilligung zu erhalten, da die drei Dinge: seine Vorstandschaft im Rietschelschen Atelier; seine Betheiligung als Beirath bei der Vollendung des Lutherdenkmals; und seine Mitwirkung bei der Errichtung des Rietschel-Museums innigst zusammenhängen. Ueber Erwarten finde ich ihn bereit, in das Komitee zu treten, ja er erklärt, daß er selbst schon an ein solches Unternehmen gedacht habe und über kurz oder lang dasselbe in Vorschlag gebracht haben würde ...

3) Sonntag ... Nachmittag gehe ich zu Frau Professor Rietschel, bei welcher ich auch Andreas Oppermann finde. Ich erstatte Bericht über Hähnels Stellung zu uns nach ihrer dreifachen Bedeutung ... Frau Professor und Oppermann scheinen sich über meinen Bericht sehr zu freuen. Oppermann hat heute eine Abschrift von Bunsens Gutachten über die Monumentssache in meine Hände gelegt. Bis auf die Bekleidung Luthers entspricht Rietschels Werk diesem Gutachten vollkommen. (Bunsen war für die Kutte.)

4) Montag ... Ich konzipiere das Gutachten über die Weise, wie, nach meiner Ansicht, die gediegene

Durchführung des Lutherdenkmals im Sinne des Meisters


  1. So pflegte damals der Trinitatisfriedhof genannt zu werden.
  2. Heinrich Theodor Schulze, geb. 1. Oktober 1820 in Polenz bei Leipzig, Diakonus, später Pfarrer an der Kirche zu Friedrichstadt-Dresden.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/220&oldid=- (Version vom 14.9.2024)