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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/26

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weiter mehr erfahren, als daß er, wie oben erwähnt, bei Drändorffs Verhör im Jahre 1425 bereits verstorben war. Angeblich insbesondere auf Peters Betrieb wurde in Prag gegen Ende des Jahres 1414 damit begonnen, den Laien das Heilige Abendmahl unter beiderlei Gestalt auszutheilen. Die darauf bezügliche Ueberlieferung ist zwar nicht in jeder Hinsicht unbestritten. Wenn sie aber in einigen Verzweigungen besagt, daß Peter mit seinen Genossen schon zuvor hier in Dresden für den Utraquismus eingetreten sei, so scheint mir dies durch eine Mittheilung O. Richters in seiner jüngst erschienenen Geschichte der Stadt Dresden (Bd. 1, S. 56) eine Bestätigung zu finden. Widerspruch gegen die von der herrschenden Kirche durchgesetzte Form der Austheilung des Sakraments unter einerlei Gestalt war ja immer lebendig geblieben.

Als waldensisch oder auch wiclifitisch werden die Lehrmeinungen der von hier Vertriebenen bezeichnet, und wir sahen bereits, daß Drändorff später ausdrücklich hervorhob, sein so hoch verehrter Lehrer Magister Friedrich sei kein Husit gewesen, wie er ihn denn auch mit einem Beiwort (humilis) bezeichnet, das so recht dem Gedankenkreise der Waldenser entnommen ist. Und jene religiösen Richtungen fielen ja mit dem Husitismus, wie er sich in Böhmen herausbildete, trotz zahlreicher Berührungspunkte keineswegs ohne Weiteres zusammen. Andererseits war zu der Zeit, wo jene Männer hier in Dresden wirkten, allerdings auch in Böhmen noch nicht dasjenige zu völliger Ausbildung gekommen, was später, in der Zeit von Drändorffs Prozeß, speziell unter dem Namen Husitismus gefürchtet und verfolgt ward. Somit bezöge sich Drändorffs Aussage vielleicht auch nur darauf und wäre zugleich entsprungen seinem noch weiter zu erwähnenden Bestreben, Personen, mit denen er in Berührung und Wirkungsgemeinschaft getreten war, gegenüber seinen fanatischen Richtern möglichst zu decken.

Jedenfalls hat Drändorffs Ueberzeugung sich in Böhmen nach der husitischen und zwar nach der strengeren, taboritischen Richtung hin weiter entwickelt. In allen drei genannten Gedankenkreisen wurzeln denn auch die Lehren, die wir ihn weiterhin vertreten sehen; sie kommen in der Hauptsache auf Folgendes hinaus.

Die einzige Quelle des Glaubens ist die Heilige Schrift. Die Kirche besteht allein aus den wahrhaft Gläubigen, nicht aus dem Papst mit den Kardinälen, Erzbischöfen, Bischöfen oder andren Prälaten; ihr Haupt ist allein Christus, kein sterblicher Mensch kann es sein, auch Petrus ist es nicht gewesen. Der Papst kann höchstens als ein minder wesentliches Haupt der Kirche anerkannt werden, es steht demselben aber keine Gewalt über diese zu, mag er gleich thatsächlich über Diener, Schätze und Rosse in höherem Grade verfügen können, als z. B. Drändorff selbst. Die Beschlüsse allgemeiner Konzilien können nur insoweit Gültigkeit beanspruchen, als sie in der Heiligen Schrift begründet sind. Die Messe kann unter Verwendung des Vaterunsers oder irgendwelches andern Gebets und der Einsetzungsworte nach dem Texte irgend eines unter den Evangelisten gültig vollzogen werden. Das Heilige Abendmahl ist allen Laien, auch Kindern jeglichen Alters, sofern sie nur getauft sind, unter beiderlei Gestalt zu reichen. Jedweder Eid ist schriftwidrig. Verwerflich ist jeglicher Ablaß und kommt nur auf eine Täuschung der Laien durch die Geistlichkeit hinaus. Verwerflich sind alle theologischen Grade, wie sie an Universitäten erworben werden, verwerflich ferner die Bettelorden. Wohl ist es zulässig, daß Geistliche Zinsen und Einkünfte von weltlichen Gütern beziehen, aber alles, was darüber hinausgeht, insbesondere die Ausübung weltlicher Herrschaft und Gerichtsbarkeit durch sie, ist sündhaft und führt in den Stand der Verdammniß. Auch wenn Kaiser Constantin der Große – so faßt Drändorff die Sache nach dem Kenntnißstande seiner Zeit – dem Papst Sylvester weltlichen Besitz schenkte, so konnte er ihm doch keine weltliche Herrschaft schenken; wenn Sylvester diese übernahm, so that er damit Unrecht. Und ist nicht jede Exkommunikation an sich zu verwerfen, so ist es doch unbedingt diejenige, die vom Papst oder sonst irgendwelchem Geistlichen mit Bezug auf Temporalien ausgesprochen wird; eine solche ist vielmehr den von ihr Betroffenen zu ihrem Seelenheil förderlich, anstatt ihnen daran zu schaden. Ueberhaupt sind geistliche Untergebene gegenüber geistlichen Oberen nicht zu blindem Gehorsam verpflichtet, wie er von diesen verlangt wird, d. h. zum Gehorsam in unerlaubten und unehrbaren Dingen, die sich nicht aus der Heiligen Schrift erweisen lassen.

Wir erfahren nicht, ob Drändorff erst noch irgendwelche Zeit lang die von den vertriebenen Dresdner Magistern in Prag gegründete Schule besucht hat. Von Universitäten hat er seiner Aussage nach zunächst diejenige in Prag besucht, wo sich übrigens bei der Immatrikulation der Rektor damit begnügte, statt des Eides ein Versprechen von ihm entgegenzunehmen. Dann ist er nach Leipzig gegangen. Die Matrikel dieser Universität weist seinen Namen allerdings nicht auf. Indeß steht fest, daß dort, wie anderwärts, so Mancher zwar thatsächlich studiert, aber sich doch der Inskription und damit zugleich der Eidesleistung und der Unterstellung unter die Disciplinarordnung der Universität entzogen hat. Wie die Dinge lagen, wird Drändorff auch gerade in Leipzig mit seinen Ansichten vorsichtig haben zurückhalten müssen.

Im Jahre 1416 oder 1417 erlangte er dann durch einen Suffragan des Prager Erzbischofs, der auch sonst vielfach utraquistische Geistliche geweiht hat, die Priesterweihe,

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/26&oldid=- (Version vom 17.9.2024)