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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/280

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der Goldschmied Johann Kellerthaler und der Tischler Hans Schieferstein oder Schifferstein, von denen sich köstliche Werke von dauerndem Werthe noch heute theils im Grünen Gewölbe, theils im Historischen Museum befinden.

Zum Schluß wende ich mich noch zu den Vertretern der tönenden und redenden Künste. Die Musik wurde hauptsächlich in der Hofkapelle und im Kreuzkirchenchor gepflegt. An der Spitze der durch Kurfürst Moritz begründeten Hofkantorei stand der tüchtige Kapellmeister Rogier Michael[1], ein würdiger Nachfolger seiner großen Vorgänger Johann Walther, Matthäus Lemaistre und Antonius Scandellus. Er war um 1550 zu Bergen im Hennegau, dem heutigen Mons geboren, also ein Landsmann des großen Tonsetzers Roland de Lattre, der weiteren Kreisen unter dem Namen Orlandus Lassus bekannt ist. Er wuchs in den guten Traditionen der altniederländischen Gesangskunst auf, die um die Mitte des 16. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreicht hatte. Wegen seiner Fertigkeit im Koloraturgesang wurde er 1575 bei der Dresdner Hofkapelle als Altist angestellt. Christian I., der ihn sehr schätzte, ernannte ihn 1587 zum Kapellmeister. Als solcher mußte er nicht nur den Kirchendienst versehen, sondern auch bei der Tafel und bei Hoffestlichkeiten aufwarten und junge Knaben zu tüchtigen Musikern heranbilden. Einer seiner berühmtesten Schüler ist der Leipziger Thomaskantor Hermann Schein. Große Verdienste erwarb er sich um die Herausgabe des Dresdner Gesangbuchs von 1593. Als seine Kräfte nachzulassen begannen, wurde Heinrich Schütz, der Begründer der deutschen Oper, als sein Vertreter berufen. 1619 starb er an Altersschwäche. Sein Hauptverdienst besteht darin, daß er die Musik in Dresden aus der alten vokalen in die neue instrumentale Richtung hinüber leitete. Von seinen Kompositionen ist die bedeutendste ein sechsstimmiges Tedeum aus dem Jahre 1595. Mehrere andere befinden sich handschriftlich im Hauptstaatsarchiv. Einige sind gedruckt, alle aber höchst selten und nur zum Theil vollständig erhalten.

Weniger bedeutend als Michael war sein Kunstgenosse Andreas Petermann[2]. Er war um 1536 in Dresden geboren, studirte in Wittenberg Theologie und bildete sich gleichzeitig in der Musik so weit aus, daß er 1557 das Kantorat an der Dreikönigskirche seiner Vaterstadt übernehmen konnte. Allerdings hielt er es hier nicht lange aus, weil sich bereits am dritten Tage nach seiner Anstellung der Pfarrer beim Stadtrath in den bittersten Ausdrücken über ihn beschwerte. Da die Streitigkeiten mehr persönlicher Natur gewesen zu sein scheinen, entließ man ihn nicht, sondern versetzte ihn als Lehrer an die Kreuzschule. Bald übertrug man ihm auch die Kantorstelle an der Kreuzkirche, die er 25 Jahre lang inne hatte. Da er sich aber nicht genug geehrt und allzu kärglich besoldet glaubte, gab er dieses Amt auf und vertauschte es mit der besser dotirten Stellung eines Präzeptors der kurfürstlichen Kapellknaben. Als solcher wirkte er bis in sein hohes Alter. Erst 1611 wurde er in den Ruhestand versetzt, doch starb er noch in demselben Jahre. Als Komponist ist er nicht bedeutsam hervorgetreten, doch rühmen die Zeitgenossen von ihm, daß er den Figuralgesang seines Chors auf eine bemerkenswerthe Höhe gebracht habe.

Die Theaterverhältnisse Dresdens lagen um jene 3eit noch sehr im Argen[3]. Eine ständige Schauspielergesellschaft war nicht vorhanden. Englische Komödianten und andere Wandertruppen führten gelegentlich, namentlich zur Zeit des Karnevals, theils plumpe Haupt- und Staatsaktionen, theils rohe Hanswurstpossen auf und zeigten daneben ihre Künste als Springer, Seiltänzer oder Thierbändiger. Die Bürgerschaft ergötzte sich zuweilen an einer Komödie moralischen Inhalts, welche die Kreuzschüler agirten. Die Hofgesellschaft fand ihr Hauptvergnügen an festlichen Aufzügen, bei denen sich oft Hunderte von Menschen zum Theil in abenteuerlichen Verkleidungen als mythologische und allegorische Fabelwesen, als Meerwunder, Indianer und Waldteufel, aber auch als Päpste und Kardināle durch die Hauptstraßen der Stadt bewegten, ferner an Maskenbällen, Thierhetzen, Wasserjagden, Turnieren, Karoussels und Schlittenfahrten. Die zum Theil werthvollen Kostüme und Dekorationen wurden in einem besonderen Gebäude, dem sogenannten Inventionshause hinter dem alten Frauenkirchhofe an der heutigen Münzgasse, aufbewahrt.

Zur Verherrlichung dieser Hoffestlichkeiten wurden neben bildenden Künstlern und Handwerkern aller Art nicht selten auch die Dresdner Dichter herangezogen. In unserer Stadt lebten damals zahlreiche Männer, die sich in guten Stunden der Poesie befleißigten. Allerdings galt die Dichtkunst nicht wie in unsern Tagen als die feinste Blüthe der Geisteskultur, sondern als eine Fertigkeit, die man handwerksmäßig erlernen und üben konnte. Deshalb war keiner unter jenen alten Dresdner Versschmieden ein Dichter von Gottes Gnaden, keiner ein sprachgewaltiger Schöpfer neuer Formen und Töne, keiner ein Mensch, dem nichts Menschliches fremd blieb. Vielmehr haben sie sämmtlich ein dürftiges Mittelmaß nicht

Anmerkungen

  1. R. Kade, Der Dresdner Hofkapellmeister Rogier Michael (Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung 1888, Nr. 36 und Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft 5, 1889, 272–289). – Derselbe, Das erste Dresdner lutherische Gesangbuch von 1593 (Dresdner Geschichtsblätter 1894, 145ff.).
  2. K. Held, Das Kreuzcantorat zu Dresden, Leipzig 1894, 5. 23ff.
  3. M. Fürstenau, Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden, Dr. 1861.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/280&oldid=- (Version vom 15.10.2024)