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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/4

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X. Jahrgang          1901          Nr. 1.


Von diesen Blättern erscheinen jährlich 4 Nummern im Umfange von 1½ bis 3 Bogen. Bestellpreis für den Jahrgang 3 Mark. Die Vereinsmitglieder erhalten die Blätter unentgeltlich zugesandt.


Erlebnisse eines Dresdner Kommunalgardisten in den Maitagen 1849.
Mitgetheilt von Oberbibliothekar Dr. P. E. Richter.

Da ich[1] weder gewohnt war, in politische Vereine zu gehen, wenngleich ich dem Namen und der Gesinnung nach dem Deutschen angehörte, noch öffentliche Orte besuchte, wo man die Stimmung und sich vorbereitende Veränderungen derselben aus unmittelbarer Anschauung kennen zu lernen Gelegenheit hat, so begann für mich erst ein allerdings sehr entschiedener Anstoß und Umschwung meiner zeitherigen Ruhe durch den vom Kommando erlassenen Aufruf der sämmtlichen Bürgerwehr Dresdens zu Urversammlungen, welcher am (Mittwoch) 2. Mai erschien und schon für den Nachmittag einlud.

Diesem Aufrufe folgte ich um so freudiger und mit um so weniger Bedenken, da durch denselben die Stimmung der Bürgerwehr für ein einiges Deutschland Gelegenheit finden sollte, sich aussprechen zu können; und da dies in unserem engeren Vaterlande Sachsen bereits von mehreren, darunter auch der Bürgerwehr Leipzigs, ja sogar schon so vielseitig in den preußischen Staaten geschehen war, so war es gewiß der Dresdner um so weniger zu verargen, wenn auch sie durch eine gleiche Erklärung ihre gewiß nur lobenswerthe deutsche Gesinnung an den Tag legen wollte und nebenher dem Vorwurfe zu begegnen suchte, als bliebe sie theilnahmlos, wenn sonst überall man alle erlaubten Mittel aufbiete,der ebenso schönen als großen Idee allen erlaubten Vorschub zu gewähren. Fest bin ich überzeugt, daß, wenn die Anarchisten hier nicht um jeden Preis einen Aufstand hätten herbeiführen wollen, die hiesige Bürgerwehr in Verbindung mit dem Militär, ebenso wie die Leipziger, im Stande gewesen sein würde, jeden Unfug des Pöbels zu hindern.

In diesen Urversammlungen, welche bataillonsweise, mit je einem zugetheilten Hülfskorps, stattfanden, wurde nun eine von den Kommandanten entworfene gleichlautende Adresse an Se. Majestät den König zur Genehmigung oder Verwerfung vorgetragen. Eine Diskussion, welche von einigen Ultras gewünscht wurde, wurde auch in unserem Bataillone mit wenigstens ⅔ der Stimmen und zwar aus dem Grunde abgelehnt, um nicht durch Rede und Gegenrede die Gemüther zu erhitzen, und nachdem diese Vorfrage erledigt, wurde die Adresse einstimmig angenommen. In der Fassung derselben lag gewiß nichts, was nothwendigerweise eine solche Katastrophe, wie wir sie seitdem gehabt, herbeiführen


  1. Verfasser dieser Mittheilungen, deren Originalniederschrift sich im Manuskript Q. 173b der Königl. öffentl. Bibliothek befindet, ist der Historienmaler Karl Rolle, geboren 1814 in Reichenau bei Zittau und gestorben daselbst 1862, eine angesehene Persönlichkeit von hohem Wachs und interessantem Gesicht; er hat sich besonders durch seine Sgraffito-Ornamente am äußeren Rundbau und die Deckenbilder im Foyer des abgebrannten Hoftheaters, sowie durch seine Grau in Gran-Malereien im Treppenhause der Gemäldegalerie bekannt gemacht. Er wohnte von 1847 bis 1859 in Neustadt, Kasernenstraße 23, daher seine Zugehörigkeit zum 3. Bataillon der Kommunalgarde. – Seine Mittheilungen sind zwar nicht geeignet, unsere Kenntniß der Vorgänge wesentlich zu bereichern, aber sie enthalten eine bemerkenswerthe Bestätigung der auch in den Denkwürdigkeiten des Appellationsgerichtssekretärs Fritzsche (Geschichtsblätter Bd. II S. 177 flg.) ausgesprochenen Ansicht, daß die Erfolge der Aufständischen zum großen Theile durch die Kopflosigkeit der Behörden und die Lässigkeit der Gutgesinnten verschuldet waren.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/4&oldid=- (Version vom 9.8.2024)