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absteigen. Da aber der Fuhrmann den Weg nicht wußte, hielten sie in der Moritzstraße vor dem Hause Nr. 721, in dessen zweitem Stock noch Licht war und riefen. Der Arzt Seegert, der das Fenster öffnete, beschrieb den Fremden die Wohnung des Gesandten. Der Aufforderung herunterzukommen und den Weg zu zeigen, begegnete der Arzt mit der Antwort, es sei zu kalt, außerdem sei er kein Wegweiser, sie sollten sich an den Nachtwächter wenden. Dieser brachte die Reisenden an ihr Ziel. Der Gesandte war bereits durch einen Courier von der bevorstehenden Ankunft benachrichtigt worden und empfing den Kaiser. Sofort schickte man zum König und ließ ihn wecken. Dieser kleidete sich in fliegender Eile an und ließ sich, um keine Zeit zu verlieren, in einer gewöhnlichen Miethsänfte in Serras Wohnung tragen, er, der nie zuvor ein Privathaus in Dresden betreten hatte. Der Kaiser lag im Bette seines Gesandten und unterhielt sich so anderthalb Stunden mit dem König. Er sprach von seinen Verlusten und Hilfsquellen, von seinen Befürchtungen und Hoffnungen und von der allgemeinen Lage, gab dem König politische Verhaltungsmaßregeln und versprach bald mit neuen Streitkräften wiederzukommen. Als sich der König zurückgezogen hatte, erschien bald darauf, vollständig reisefertig, Napoleon im Salon, in aller Gemüthsruhe einen Gassenhauer trällernd. Noch einige Fragen an die Umgebung, unter der auch Senfft sich befand, eine kurze Unterhaltung mit dem König, eine eilige Mahlzeit – und um 7 Uhr bestieg er mit seinem Begleiter einen der Königin gehörigen Schlitten und reiste nach Erfurt weiter. Bis dorthin dienten ihm als Eskorte zwei Quartiermeister der Sächsischen Garde.

Eine Erinnerung an diesen unter denkwürdigen Umständen erfolgten Besuch des Hauses bildet der Schlitten, mit dem der Kaiser hier ankam und der von einem Edelmann in der Gegend von Wilna herrührte. Er war zerbrochen und wurde deshalb zurückgelassen; seitdem ist er auf dem Boden des Hauses aufbewahrt und später wieder in Stand gesetzt worden. Ein Geschenk des Grafen Kleist vom Loß, des Verkäufers dieses Hauses, bildet er jetzt eine hervorragende Merkwürdigkeit des Stadtmuseums. – Im folgenden Jahre, wo die Hand des Krieges lang und schwer auf Dresden lastete, verdankte das Palais dem Umstand, daß der französische Gesandte hier wohnte, die Befreiung von Einquartierung.

Graf Johann Adolf III. hatte neben einem Sohn, der jung verstarb, nur drei Töchter. Mit ihm starb sein Geschlecht im Mannesstamme aus. Seine älteste Tochter, Gräfin Auguste, war vermählt mit Wilhelm Bogislav von Kleist-Tychow; der 1823 mit der vom König von Preußen bestätigten Annahme des Namens Graf Kleist vom Loß für seine Nachkommen die Anwartschaft auf Nutznießung des Gräfl. Loßschen Familienfideikommisses erwarb und so das alte Geschlecht mit Namen und Recht weiter führte. Gräfin Auguste starb 1828. Ihr Gemahl ging eine zweite Ehe mit Elisabeth Gräfin Medem ein. – 1830 verkaufte Graf Loß sein Hausgrundstück an seinen Schwiegersohn Grafen Kleist, wurde aber in einem Prozeß durch die Fideikommiß-Interessenten genöthigt, 1838 durch Rückkauf das Haus zum Fideikommiß zurückzubringen, und erkannte 1846 ausdrücklich in einer Erklärung die Fideikommißeigenschaft desselben an. Das betraf aber nur das Hauptgebäude mit der Katasternummer 536. Der auf dem Platz des Fraumutterhauses erbaute Theil des Doppelhauses, Nr. 535, der nicht mit zum Fideikommiß gehörte, verblieb dem Grafen Kleist. 1839 erhielten die Häuser jenes die Hausnummer 15, dieses die Nr. 14 und die Katafternummern 387 und 386.

Im Jahre 1852 am 7. März starb der letzte Graf Loß im hohen Alter von 84 Jahren. Das Fideikommiß, darunter das Haus auf der Kreuzgasse Nr. 15, ging auf seinen Enkel, den Grafen Bogislav Adolf Leopold Kleist vom Loß über. An diesen fiel durch den Tod seines Vaters Grafen Wilhelm Bogislav 1860 auch Nr. 14 und war somit wieder mit dem Hauptgebäude in einem Besitz vereinigt. – Der Graf Loß hatte das Palais selbst bewohnt und zwar das erste Stockwerk. Im Hause seines Schwiegersohnes, Nr. 14, bewohnte den zweiten Stock seit 1836 der königliche Oberstallmeister und Generaladjutant Generallieutenant Friedrich Josef Anton von Fabrice, der 1850 starb, der Vater des späteren Generals und Ministers von Fabrice. – Graf Bogislav Adolf Leopold war königlicher Kammerherr und Ministerresident in Neapel und Rom und befand sich daher meist auswärts. Er starb 1869. Sein Erbe war der 1863 geborne Graf Bogislav Adolf Leopold Boris. Beide hielten sich nur selten hier auf. Das Haus wurde zum Theil vermiethet. Unter den Miethbewohnern sind zu nennen: Kammerherr Graf Vitzthum und nach ihm seine Wittwe und sein Sohn 1855-1867; von 1860-1869 bewohnte das erste Stockwerk beider Häuser der österreichische außerordentliche Gesandte Freiherr von Werner; im Erdgeschoß Nr. 14 war die Gesandtschaftskanzlei; 1870-1875 wohnte in den Räumen, die der österreichische Gesandte innegehabt hatte, der königliche Kammerherr und Geheime Rath Graf Hohenthal; und endlich bis 1890 hatten inne das erste Stockwerk die adelige Gesellschaft Ressource seit 1879, und das zweite seit 1876 der Finanzminister Graf von Könneritz.

Am 19. Juli 1888 verkaufte Graf Kleist von Loß die beiden Häuser an die Stadtgemeinde für den Gesammtpreis von 430 000 Mark (Nr. 14: 97 000 Mark, Nr. 15: 333 000 Mark); für das Haus Nr. 15 mußte

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/109&oldid=- (Version vom 10.4.2024)