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Mutter Sophia zum Hofhalt. Von ihr behielt es den Namen Fraumutterhaus. Auf dem erwähnten Zschimmerschen Kupferstich ist es ebenfalls mit abgebildet: das eigentliche Hauptgebäude, das frühere Hauffe’sche, ist ein schöner Renaissancebau, die beiden anderen, darunter das Firl’sche, sind weit bescheidener. Das Firl’sche Haus gehörte zum Fraumutterhaus bis 1738. In diesem Jahre schenkte es der König gegen Erbzins dem Geh. Kämmerer François Du Pont, der schon vorher darin wohnte, wie vor ihm der Accisrath und Geh. Kämmerer Lange. Du Ponts Erben jedoch traten es 1742 an den Fürsten ab: und so kam es wieder zum Fraumutterhaus. In dieses war inzwischen, nachdem es seit 1705 die Académie de Peinture[1] und von 1708 ab auch die Oberrechnungskammer beherbergt hatte, 1740 aus der Kleinen Brüdergasse die königliche Amtsexpedition verlegt worden. Das wieder mit ihm vereinigte ehemals Firl’sche Haus wurde nun als das kleine Amtshaus zum Unterschied vom eigentlichen Fraumutterhaus, dem großen Amtshaus, bezeichnet. 1760 brannte es mit diesem ab.

Den Platz des kleinen Amtshauses also mitsammt den bereits angefangenen Grundbauten überließ der Kurfürst 1773 unentgeltlich dem Grafen Loß, der ihn 1779 an seine Gemahlin Auguste Amalie geb. Gräfin Löser für 1500 Thaler verkaufte. Ende desselben Jahres führte die Gräfin auf dieser Stelle ein von Grund aus steinernes Gebäude auf, welches in das daneben liegende Loß’sche Haus hineingebaut und vollständig mit ihm verbunden war. 1790 kaufte es der Graf wieder zurück. Zum Fideikommiß ist aber dies Nebengebäude nicht gekommen. – Die beiden neuen Häuser hatten vollständig das Ansehen eines einzigen großen dreistöckigen Hauses mit 14 Fenstern Front. Als ein solches bespricht sie auch Hasche 1781 in seiner „Umständlichen Beschreibung“ (I, 303). Er hebt das edle Ansehen dieses Palais bei aller seiner Einfachheit und Schmucklosigkeit hervor und rühmt besonders die sehr bequem und ganz im neuen Geschmack ausgestattete Anlage des Innern. Seiner ziemlich ausführlichen Beschreibung nach entspricht die damalige Ansicht fast ganz der heutigen, nur geringfügige Aenderungen sind zu bemerken. – Auch Daßdorf und Lehninger loben den einfachen und edlen Stil, sowie die geschmackvolle innere Einrichtung. Für jene nüchternste Zeit der Dresdner Baukunst galt dieses Palais eben als ein hervorragendes Bauwerk. Mit seiner Hinterseite stieß es an den Festungswall. Ein Theil der Lindenallee des Wallgartens wurde dazu erkauft und erhöhte durch den angenehmen Spaziergang, der sich hier bot, wesentlich den Reiz des Grundstückes. Ferner kam 1780 nach dem Neubau der Festungsbaukirche über dem Pirnaischen Thore die alte unter August III. hinter dem Fraumutterhaus erbaute Festungsbaukirche dazu und wurde in in einen Pferdestall umgewandelt. Erst 1889 wurde dieses Gebäude abgebrochen. Neben dem Stall ward auch eine Reitbahn eingerichtet. 1824, nach der Niederlegung der Festungswerke, wurde von der Demolitionskommission ein Platz und ein Weg hinter dem Stall dem Grafen Loß überlassen.

Graf Johann Adolf II, seit 1777 Kabinetsminister, leitete von 1790 ab die auswärtige Politik des sächsischen Staates, wurde aber im November 1806 auf Befehl Napoleons von seinem Fürsten in voller Ungnade entlassen und starb am 15. März 1811. Erbe des Hauses war Graf Johann Adolf III., Geheimer Rath und Hausmarschall. – In den nun folgenden Kriegsjahren spielte das Haus insofern eine Rolle, als der französische Gesandte, seit 1811 Baron de Serra hier seine Wohnung nahm.[2]Dieser Umstand ist auch die Ursache, daß in diesen Mauern sich ein Vorgang von allgemeiner geschichtlicher Bedeutung abspielte. Der damalige Minister des Auswärtigen, Graf Senfft, zeichnet die Begebenheit ausführlich in seinen Memoiren (erschienen 1863) auf. Auch ein Privatbrief aus dem Dezember 1812 schildert den Vorgang. Man wußte in Dresden zwar schon von dem Rückzuge der Franzosen und der Schlacht an der Beresina, ohne aber doch entfernt die Wuchtigkeit des Schlages zu ahnen, der Napoleon betroffen. Da langte der Kaiser in der Nacht vom 13. zum 14. Dezember früh 2 Uhr, begleitet vom General Caulaincourt, in Dresden an und wollte in der Wohnung seines Gesandten


  1. Am 5. Februar 1728 wurde die damals unter der Direktion des berühmten Louis Sylvester stehende Malerakademie im Fraumutterhause vom König Friedrich Wilhelm I. von Preußen, der vorher beim Geheimen Rath von Loß zu Mittag gespeist hatte, „mit großem Vergnügen“ besichtigt, worüber der Hof- und Staatskalender für 1729 eingehend berichtet.
  2. De Serra nahm diese Wohnung erst nach dem Tode des alten Grafen Loß, des Kabinetsministers, ein, während sein Vorgänger und auch er in der ersten Zeit in der Pirnaischen Gasse Nr. 690 (Landhausstraße) gewohnt hatte. Der jüngere Graf zog nach dem Tode des älteren, der im eigenen Hause wohnte, zunächst nicht herein, sondern behielt seine schon bei Lebzeiten des Vaters innegehabte Wohnung Pirnaische Gasse Nr. 689 a fort. Dagegen ist er nach dem Weggang des französischen Gesandten von Dresden in sein Haus eingezogen, wie das Adreßbuch von 1816, das erste nach den Kriegsjahren, nachweist. Demnach scheint der Schluß gestattet, daß in der Zwischenzeit dem Baron de Serra die Wohnung des verstorbenen Kabinetsministers eingeräumt war. Unterstützt wird diese Annahme durch eine Bemerkung Senffts, nach der das Bett des Ministers „se trouvait être celui de la comtesse de Loss“: das legt fast die Deutung nahe, daß die ganze Wohnung mit ihrer Einrichtung, wie sie lag und stand, dem Baron überlassen worden war. Nun spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Kabinetsminister Graf Loß im ersten Stockwerk gewohnt hat, wie das für den Hausmarschall aus den späteren Adreßbüchern sicher hervorgeht. Somit wird der im Folgenden geschilderte Vorgang aller Wahrscheinlichkeit nach im ersten Stock sich abgespielt haben.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/108&oldid=- (Version vom 10.4.2024)