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Legate stiftete, überlebte ihren Gemahl um 26 Jahre und starb 1717. Sie hatte auch noch anderweiten Besitz. Ihr Haus in der Kreuzgasse aber übertrug sie schon 1715 ihrer Tochter Sophie Eleonore, die seit 1695 mit dem kurfürstlichen Kammerherrn und Kämmerer, späteren Oberküchenmeister Hans Adolf von Haugwitz vermählt war. Nach seinem Tode reichte sie 1719 dem Geheimen Rath Rudolf Gottlob Freiherr von Seyffertitz die Hand.[1] – Unser Haus ging aber schon im Jahre 1722 in andere Hände über: unterm 10. Juni dieses Jahres wird als Besitzerin desselben Frau Erdmuthe Sophie von Loß geb. von Dieskau auf Zschepelin eingetragen. Vor ihrer Vermählung ist das Fräulein von Dieskau bekannt als Nachfolgerin der Gräfin Dönhoff in der Gunst Augusts des Starken. Das Herz des Königs aber glühte nicht lange für sie, sondern entzündete sich bald an einer anderen Flamme, dem Fräulein von Osterhausen. Die Dieskau war nach Pöllnitz ein Wunder von Schönheit, das Vollkommenste, was die Natur bilden konnte – bis auf den Geist. Sie war weder geistvoll noch lebhaft und daher nicht geeignet, den geistliebenden König lange zu fesseln. 1721 vermählte sie sich mit dem Hofmarschall Johann Adolf von Loß, der später sächsischer Gesandter in London, München, Versailles war, dann Kabinetsminister wurde und 1759 starb.

Nachdem Frau Erdmuthe Sophie 1722 das Haus auf der Kreuzgasse erworben, blieb es von da ab im dauernden Besitz der Loß’schen Familie. – Die vom Loß sind ein altes Geschlecht, vielleicht mit der schlesischen Familie von Loos eines Ursprungs: sie treten seit der Mitte des 16. Jahrhunderts im Meißnischen auf und sind reich begütert: z. B. Hirschstein bei Meißen, Pillnitz, Olbernhau waren in ihrem Besitz. Seit ihrem Auftreten im Meißnischen widmen sie sich auch eifrig dem Dienst des Landesherrn und bekleiden hohe Staatsstellungen. 1741 wurden der erwähnte Johann Adolf und sein Bruder Christian vom Kurfürsten während seines Reichsvikariats in den Reichsgrafenstand erhoben.

Nicht nur der Dauer, sondern auch der Art nach wurde die Verbindung unseres Hauses mit diesem Geschlechte eine sehr feste. Frau Erdmuthe Sophie, die es erworben, und ihr Gatte Johann Adolf mochten es lieb gewonnen und seinen festen Besitz als einen werthvollen erkannt haben: denn in ihrem 1758 errichteten und 1768 eröffneten letzten Willen, in dem sie ein Familienfideikommiß stifteten, schlugen sie auch dieses Haus dazu und legten es somit für die Zukunft als städtisches Stammgut der Familie fest. – 1731 hatte das Grundstück durch die Gnade des Königs eine kleine Erweiterung erfahren: der König schenkte der Frau von Loß, einst ja vorübergehend der Dame seines Herzens, „zu besserer Bequemlichkeit ihres Wohnhauses“ vom anstoßenden Fraumutterhaus einen Platz, auf dem bisher der Accisrath und Geh. Kämmerer Lange einen Stall und eine Küche hatte. – 1760 wurde das Haus wie viele andere ein Opfer der preußischen Bomben und sank in Asche und Trümmer. Bald aber erstand es neu aus dem Schutte auf. Der Fideikommißwerth des neuen Gebäudes wird 1779 und 1790 zu 15 000 Reichsthalern festgesetzt. – Nicht lange Zeit darauf erhielt es wieder durch die Gnade des Fürsten einen diesmal recht ansehnlichen Zuwachs. Da der Wiederaufbau des ebenfalls von den Flammen verzehrten Fraumutterhauses eingestellt wurde, vielmehr für die Zwecke, denen es diente, vom Fiskus das Schreibersche Haus in der Pirnaischen Gasse (Landhausstraße) angekauft worden war, wurde der Raum des Fraumutterhauses zertheilt: ein Stück davon schenkte der Kurfürst auf dem Vererbungswege der Reformirten Gemeinde, die ihr Bethaus dort errichtete, wieder ein anderes im Jahr 1773 dem Geheimen Rath Johann Adolf (II.) von Loß, seit 1770 Eigenthümer des nebenanliegenden Loß’schen Hauses, einem Neffen des erwähnten älteren Johann Adolf.

Dieses zum Fraumutterhaus gehörige, jetzt an den Grafen Loß vererbte Grundstück war rechtlich wie baulich ein selbstständiges gewesen. Der Bäcker Peter Firl kaufte es 1586 von Anton Knebel für 910 Gulden. 1607 kaufte es Johann Georg I. zu dem anstoßenden, von ihm bewohnten Hause hinzu. Das letztere, 1550 von Hans Dehn-Rothfelser für den Hauptmann Melchior Hauffe erbaut, wurde nach dessen Tode von Kurfürst August angekauft, durch ein Nachbarhaus erweitert und dann mehrfach zu prinzlichen Hofhaltungen benutzt. Als Johann Georg Kurfürst wurde, schenkte er es seiner


  1. Freiherr ò Byrn in seiner kurzen Biographie Klengels erzählt, daß Sophie Eleonore, „wenn man der Saxe galante als historischer Quelle trauen darf“, kurze Zeit in ein galantes Verhältniß zu August dem Starken trat, noch vor der Königsmarck: nun nennt aber Pöllnitz die Dame, um die es sich allein handeln kann, Fräulein von Kessel. ò Byrn spart die Mittheilung, wie er zu der Annahme einer Namensverwechselung bei Pöllnitz kam. Im Uebrigen spricht viel für die Aufstellung, daß in der That hier der flüchtig schreibende Pöllnitz nach mehr als 30 Jahren den Namen der Dame mit einem ähnlich klingenden verwechselt hat. Die Vornamen stimmen überein und, was die Hauptsache, auch sein Fräulein von Kessel wird mit einem Herrn von Haugwitz vermählt. Endlich ist sehr auffällig, daß Vehse, der neben Pöllnitz noch andere Quellen hat, namentlich die handschriftlichen Memoiren Haxthausens, zwar bei der Aufzählung der Favoritinnen Fräulein Kessel nennt, bei einer späteren gelegentlichen Erwähnung aber davon spricht, daß Aurora von Königsmark und Fräulein Klengel, ihre Vorgängerin, den Kurfürsten nach Karlsbad begleiteten. Auch daß das Bildniß der Frau von Haugwitz, späteren Baronin von Seyffertitz, im Venussaale des alten Pillnitzer Schlosses einen Platz hatte, macht es wahrscheinlich, daß sie an dem der Liebe und Schönheit ergebenen Hofe Augusts eine Rolle gespielt habe. – Wenn ò Byrns durch mancherlei Umstände gestützte Annahme richtig ist, so haben hintereinander zwei ehemalige Geliebte Augusts des Starken unser Haus inne gehabt.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/107&oldid=- (Version vom 10.4.2024)