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Dorfe des Ramfold, dieses ersten uns bekannten deutschen Ansiedlers in unserer Gegend, geworden? Ranvoltiz wird, auch in der Form Ramaltiz, nur in den Jahren 1310 bis 1316 genannt, dann verschwindet es aus den Urkunden. Dagegen erscheint ein halbes Jahrhundert später, um 1370, die platea Ramtiz, Ramtizgasse oder Rampoldische Gasse und als ihre äußere Fortsetzung die via Ramticz, die Rampische Straße. Nun bietet sich gerade in jener Zeit durchaus kein Anhalt, welcher das vollständige Verschwinden eines so nahe an der Stadt gelegenen und ihr gehörigen Dorfes erklären würde. Man muß daher annehmen, daß das Dorf gar nicht verschwunden, sondern bei der Ausbreitung der Vorstadt in diese hineingewachsen ist. So ist im 14. Jahrhundert aus der villa Ranvoltiz die via Ramtiz, aus dem Dorfe eine bloße Vorstadtgasse, die äußere Rampische Gasse, geworden.

Noch zwei andere Vorstadtgassen auf dieser Stadtseite werden schon im 14. Jahrhundert erwähnt, die Ziegelgasse, bekanntlich nach den an ihrem Ausgange gelegenen Ziegeleien so genannt, und die Pirnaische Gasse, von der der innere Theil seit 1859 den Namen Landhausstraße führt.

Diese ganze Gegend vor dem Elb- und Frauenthore, die bei der Gründung der Stadt außerhalb der Mauern geblieben war, wurde später doch noch zur Stadt gezogen, als sich das Bedürfniß geltend machte, die Festungswerke bis an die Elbe hinauszuschieben und mehr Raum für die Bebauung zu gewinnen. In den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts nämlich ließ Herzog Georg die Elbvorstadt durch einen starken Wall an die Stadt anschließen. Freilich blieben beide noch getrennt durch die alte Stadtmauer, die sich vom Schlosse herüber zum Jüdenhofe, von da nach dem Ausgange der Frauengasse und weiter nach dem Ende der Kreuzgasse hinzog. Aber bei dem vom Kurfürsten Moritz ausgeführten vollständigen Umbau der Festungswerke ward dieses Stück der Stadtmauer niedergelegt, der Stadtgraben eingeebnet und damit die vollständige Vereinigung dieser „Neustadt an der Elbe“, wie sie damals kurze Zeit genannt wurde, herbeigeführt. Auf dem durch die Einebnung des Grabens gewonnenen Raume entstand nun um das Jahr 1550 der zweite große Platz Dresdens, der Neumarkt, auch Frauenmarkt genannt, und mehrere neue Straßen: zunächst von der Brücke her die neue Elbgasse, die gleichzeitig auch die Namen Brückenstraße, untere Moritzstraße oder Gasse am Stalle führte, bis sie zur Zeit Augusts des Starken in Augustusstraße umgetauft ward; weiter entstand damals die große Fischergasse, seit 1840 Münzgasse genannt, ferner die große und kleine Schießgasse, bei dem dort befindlichen Schießhause der Armbrustschützen, sodann die Moritzstraße, so benannt dem Kurfürsten Moritz zu Ehren, der sie im Jahre 1548 selbst anlegen ließ und die gewonnenen Bauplätze meist seinen Adeligen und Hofbeamten schenkte; sie hieß daher auch die Herren- oder Junkergasse, beim Volke aber spottweise die Bettelgasse.

Endlich gehört auch die Friesengasse jener Zeit an. Von ihr erzählt der Chronist Hasche, sie habe ihren Namen daher, daß dem Herzog Georg, als er die Stellung eines kaiserlichen Gubernators von Friesland aufgab, eine Anzahl treue Friesen hierher gefolgt und von ihm an dieser Stelle angesiedelt worden seien. Wenn mir nicht etwa der Beweis erbracht wird, daß die Bewohner der Friesengasse heute noch plattdeutsch sprechen, bedaure ich, die rührende Geschichte von den treuen Friesen als eine Sage verwerfen zu müssen, die ein paar Jahrhunderte später lediglich aus dem Namen der Gasse zurechtgemacht worden ist. Die Friesengasse ist vielmehr, wie aus den Akten hervorgeht, erst mit der Moritzstraße entstanden und verdankt ihren Namen einem kurfürstlichen Fourier Franz Friese, der ein Stück Hinterland der Moritzstraße an sich brachte und es in den Jahren 1556 bis 1570 theils als Baustellen verkaufte, theils selbst mit Häusern besetzte; nach ihm hieß die Gasse ursprünglich „Friesens Gäßlein“. Der treue Friese entpuppt sich somit als ein prosaischer Bauspekulant.

Dem Umstande, daß diese ganze Gegend um die Frauenkirche herum erst nachträglich an die Stadt angegliedert worden ist, verdanken wir den Besitz eines zweiten großen Marktplatzes. Wäre das alte Dorf gleich bei der Gründung der Stadt mit in die Mauern aufgenommen worden, so würde hier vermuthlich ein Viertel von engen und unregelmäßigen Gäßchen im Stile der Fischergasse entstanden sein. So aber hat die Einebnung des breiten Stadtgrabens und die Freilegung des Jüdenhofes von der Stadtmauer, sowie die spätere Hinzunahme des Frauenkirchhofs die Herstellung des stattlichen Neumarktes ermöglicht. Diese spätere, im ursprünglichen Stadtplane nicht vorgesehene Entstehung und die seitliche Lage des Platzes hat freilich zur Folge gehabt, daß er dem städtischen Verkehr immer etwas entrückt geblieben ist. Daran wäre auch wenig geändert worden, wenn man, wie es Kurfürst Christian im Jahre 1591 beabsichtigte, das Rathhaus auf den Neumarkt versetzt hätte. Der Rath machte damals geltend, daß dadurch der Bürgerschaft in der alten Stadt die Nahrung entzogen und diese „fast öde“ werden würde, eine Befürchtung, die sicher grundlos war. Wenn doch noch einmal, wie es geplant ist, unser Rathhaus vom Altmarkte wegverlegt wird, so wird nicht der Verkehr, sondern nur die historische Bedeutung des Platzes Einbuße erleiden.

Die übrigen Vorstädte bieten nach der geschichtlichen

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/13&oldid=- (Version vom 24.4.2024)