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der feuergefährlichen hölzernen Häuser zu veranlassen. Die letzten verschwanden doch erst durch das Eingreifen Augusts des Starken, der überhaupt für die bauliche Gestaltung unserer Stadt eine neue Zeit herbeiführte und geradezu ihr zweiter Gründer geworden ist. Was unter der Anregung dieses in hohem Grade kunstverständigen Fürsten von einheimischen und fremden Kräften ersten Ranges geleistet ward, das genügte, um das Dresden seiner Zeit Paris zur Seite zu stellen! Ich brauche sie nicht aufzuzählen, die Bauten jener phantasiereichen und kunstfrohen Barockzeit; wir sind so glücklich, die herrlichsten davon noch vor Augen zu sehen: Pöppelmanns Zwinger, Bährs Frauenkirche, Chiaveris Hofkirche, und daneben noch gar manche prächtige Wohngebäude mit ihren zierlich geschmückten Fassaden, ihren luftigen Treppenhäusern, ihren reizenden Brunnenanlagen. Diese Schöpfungen sind es hauptsächlich, was Dresden als seinen besonderen Antheil an der Fortentwicklung der Kunst in die Wagschale zu werfen hat. Ihnen vor allem verdankt unsere Stadt den Weltruf ihrer Schönheit, und wenn man ihr den erhalten will, sollte man jene Schöpfungen nicht blos anstaunen, sondern ihren geistigen Inhalt lebendig zu erfassen und für die Weiterentwicklung unserer Stadt fruchtbar zu machen suchen. Das rechte Verständniß für solche Aufgaben kann aber nur hervorgehen aus liebevoller Beschäftigung mit der Vorzeit, mit der heimischen Geschichte. Sie weckt und stärkt zugleich die Liebe zur Heimat, aus der Gemeinsinn und Opferfreudigkeit im engern Kreise erwächst, die aber auch der feste Grund ist, worauf die Vaterlandsliebe ihre Tempel baut. Wenn wir daher heute eine Stunde bei der Vorzeit unserer Vaterstadt verweilt haben, so ist dies gewiß nicht unwerth des festlichen Tages, an dem sich unser Volk zu innigen Wünschen vereint für das theure Vaterland und sein kaiserliches Haupt!


Der Abschiedsbrief
des letzten mittelalterlichen Pfarrers von Dresden.
(Mit Nachbildung.)

Die Zeitgenossen eines großen Mannes, die mit ihm, sei es als Freund oder als Gegner, in Beziehung standen, sind für immer mit ihrem Andenken verknüpft und bleiben der Nachwelt merkwürdig, auch wenn sie an sich nicht bedeutend waren.

Als die Wittenberger Hammerschläge Doktor Martin Luthers ein neues Zeitalter ankündigten, wirkte als Pfarrer in Dresden D. Petrus Eyssenberg. Er war zu Halle geboren, hatte in Leipzig studirt, war dann an der dortigen Universität Professor der Theologie gewesen und im Jahre 1512 als Pfarrer nach Dresden berufen worden. Ein streitbarer und wohl auch etwas eigennütziger Herr, der seinem Amte an Einfluß und Vortheilen nie das geringste vergab, hatte er mit dem Rathe der Stadt manchen Strauß auszufechten: wegen der von ihm erbauten Queckbornkapelle, die dem Brückenamte die Einkünfte entzog, wegen des Bierschanks, den er zum Schaden der Bürger in der Pfarre hinter der Kreuzkirche betrieb, wegen der Gerichtsbarkeit im Pfarrlehndorfe Poppitz, die der Rath gern an sich gerissen hätte, wegen Wuchers mit Kirchengeldern, Erbschleicherei seiner Kapläne und mancher andern Mißstände. Bei den Bürgern erfreute er sich daher geringer Beliebtheit. Im Jahre 1521 wurden ihm einmal die Fenster eingeworfen, und als man 1529 die jetzt im Stadtmuseum aufgehängten zehn Bilder mit Darstellungen der zehn Gebote für den Rathhaussaal malen ließ, durfte der Künstler auf der Darstellung des sechsten Gebots das Wappen des Pfarrers anbringen – gewiß eine deutliche Sprache! Weil aber D. Eyssenberg fest an den Lehren und Gebräuchen der alten Kirche hing und eifrig gegen Luther wirkte, genoß er die Gunst des altgläubigen Herzogs Georg und durfte diesem wohlmeinenden und frommen, aber die Zeichen der Zeit nicht erkennenden Fürsten vor seinem Tode am 17. April 1539 das Abendmahl und die letzte Oelung reichen.

Mit Georgs Tode trat ein gewaltiger Umschwung ein. Sein Nachfolger Herzog Heinrich war Lutheraner und erließ am 3. Juni 1539 auch für Dresden das Verbot der katholischen Gebräuche. Die Kirchenreformation vollzog sich hier wie im ganzen Lande in aller Ruhe, da die Bürger mit wenigen Ausnahmen im Stillen längst Anhänger der bisher streng verbotenen Lehre gewesen waren. Sehr duldsam zeigten sich die neuen Lutheraner freilich auch nicht: denen, die an den alten Gebräuchen festhielten, ließ der Rath sagen, sie sollten sich „packen“.

Der Pfarrer Eyssenberg schwankte anfangs, ob er sich nicht doch dem Zuge der Zeit anschließen solle, denn es kam ihn schwer an, das Pfarrhaus, das er 27 Jahre lang bewohnt hatte, räumen zu müssen. Schließlich aber entschied er sich ablehnend, indem er erklärte, daß er die Lutherischen Gebräuche nicht kenne und namentlich nicht wisse, wie man allen den Kelch reichen solle. Seine Stelle erhielt Johann Cellarius, der bereits am 27. Juni eingewiesen ward. Er selbst wurde mit einem Ruhegehalt entlassen und ist lange nachher in hohem Alter in Bautzen gestorben.

Aus diesen Tagen der Entscheidung stammt ein Brief Eyssenbergs, der merkwürdig genug ist, um hier im Wortlaute und in getreuer Nachbildung der eigenartigen


Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/16&oldid=- (Version vom 27.4.2024)