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Industrie eine nahe an der Residenz gelegene Stätte zu bieten und dadurch deren Erwerbsverhältnisse zu fördern. So wenig aber einst der Gründer Dresdens dieses zu einer großen Handelsstadt hatte machen können, so wenig ward die Friedrichstadt ein lebhafter Industrieort. Sie blieb trotz ihrer auf größere Verhältnisse berechneten Anlage ein bescheidenes Landstädtchen, in das erst lange nach seiner Vereinigung mit der Hauptstadt die großstädtische „Civilisation“ ihren Einzug gehalten hat.

So haben wir die Gründung, Entwicklung und allmähliche Ausbreitung unsrer Stadt in ihren Hauptzügen kennen gelernt. Lassen Sie uns zum Schluß noch einen Blick auf das Aeußere der Straßen werfen, wie es im Laufe der Jahrhunderte sich verändert hat. Von dem Aussehen der Straßen im Mittelalter und noch im 15. Jahrhundert können wir uns ungefähr einen Begriff machen, wenn wir uns das Bild eines Bergstädtchens wie etwa Altenberg vor Augen halten, nur müssen wir es uns fast noch ärmlicher und namentlich unsauberer ausmalen: in ungepflasterten, von offenen Gossen, Schutthaufen und Holzstößen verengerten Gassen meist einstöckige, mit dem Giebel nach vorn gewendete Häuser von Holz oder Fachwerk, mit Schindeln gedeckt; dazwischen nur wenige Steinbauten, wie das Schloß, die Kreuzkirche, das Rathhaus und eine Anzahl Häuser vornehmer Bürger. War aber doch selbst das Rathhaus noch um die Mitte des 15. Jahrhunderts zum Theil mit Schindeln gedeckt! Es ist kaum ein Verlust für uns, daß aus dieser Zeit nicht ein einziges Bauwerk auf uns gekommen ist, außer etwa die Fundamente einzelner Theile des Schlosses und die Gewölbe im Innern des Georgenthores. Das mittelalterliche Dresden ist theils durch den großen Brand von 1491, theils durch die Bauthätigkeit der Landesherren vom 16. bis zum 18. Jahrhundert gründlich weggewischt worden.

Mit Erfolg nahm zuerst Herzog Georg die Verschönerung seiner Residenz in die Hand. Im Jahre 1533 berichtet der bekannte Hofprediger Cochläus, die Stadt Dresden habe an Gebäuden und Befestigungen solche Fortschritte gemacht, daß, wer sie seit 30 Jahren nicht gesehen, sie nicht wiedererkennen werde; man baue hier jetzt Häuser, die in manchen Städten und auf dem Lande für herrliche Schlösser gelten würden. Leider sind aus dieser ersten Blüthezeit des Dresdner Bauwesens auch nur einige spärliche Reste erhalten: als einziges Beispiel spätgothischen Stils der Erker an dem Eckhause der Wilsdruffer- und Schloßstraße, ferner als Denkmale der Früherenaissance das Georgenthor, freilich nur noch stückweise, und der Runderker mit dem niedlichen Fries tanzender Knaben an dem Schmidtschen Hause Ecke der Frauenstraße und des Neumarktes.

Auf die Zeit Georgs folgte unmittelbar eine zweite Verschönerungsperiode unter den Kurfürsten Moritz, August und Christian. Große Bauten wurden unter Moritz am Schlosse ausgeführt, das damals die Gestalt erhielt, wie die beiden Höfe sie großentheils jetzt noch zeigen, während die prächtigen Außenfassaden durch den Schloßbrand von 1701 zerstört worden sind. Kurfürst August errichtete das gewaltige Zeughaus, Christian I. das Stallgebäude mit dem Stallhofe, einen großartigen Prachtbau, von dessen Aeußerem die wiederholten Umbauten auch nur weniges übrig gelassen haben; doch bietet der Hof mit seinen Arkaden und den mit Weinlaub bewachsenen Giebeln noch heute eins der prächtigsten alterthümlichen Architekturbilder in unserer Stadt. Fast alle Privathäuser erhalten in jener Zeit Giebelaufsätze, zum Theil mit Figuren geschmückt, eine Bauart, die den Anblick der Straßen ungemein reich und lebendig gestaltet gegenüber der später allgemein werdenden Geradlinigkeit der Dächer. Von diesen Dachgiebeln sind auch nicht mehr viele vorhanden, einige am Altmarkte und hinter der Kreuzkirche. Die meisten Häuserfassaden waren überdies durch Erker belebt, aber nicht mehr runde und thurmartige, sondern rechteckige; auch von ihnen haben sich manche erhalten, hauptsächlich wohl, weil ihre Beseitigung ohne den Abbruch der ganzen Schauseite nicht ausführbar war. Einen recht freundlichen Eindruck machen die Hausthüren in Gestalt kleiner niedriger Rundbogenportale mit Muschelnischen und Sitzplätzen, deren noch etwa ein Dutzend die ursprüngliche Form bewahrt haben, das hübscheste davon an dem in diesen Tagen abgebrochenen Eckhause der Schloßstraße und des Taschenberges.

Diese kunstreiche Bauweise des 16. Jahrhunderts hat das 17. nicht fortzuführen verstanden; selbst eine der besten Schöpfungen jener späteren Zeit, die zierliche Fassade des Schönrockschen Hauses in der Wilsdrufferstraße, stellt insofern einen Rückgang dar, als ihre Verzierungen nicht im Charakter des Steins, sondern mehr des gepreßten Leders gehalten sind. Die Holzarchitektur, die vielen norddeutschen Städten ein so gemüthliches Gepräge giebt, ist in Dresden nie heimisch gewesen. Zwar waren hier auch hölzerne Häuser vorhanden, aber es waren dies durchgängig ärmliche Hütten, die alles bildnerischen Schmuckes entbehrten. Holzhäuser mit überhängenden Stockwerken kamen hier nur vereinzelt in den Vorstädten vor, wie solche z. B. in der Kanalgasse noch zu sehen sind, in der inneren Stadt hat man sie nie geduldet; auf den bekannten Tzschimmerschen Straßenansichten aus dem Jahre 1678 findet sich nicht ein einziges abgebildet. Die Billigkeit des Steinmaterials ermöglichte den Wohlhabenden hier schon zeitig den Steinbau, und seit dem 16. Jahrhundert haben die Landesfürsten und die Stadtbehörde alles gethan, um selbst die ärmsten Bürger zur Beseitigung

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/15&oldid=- (Version vom 27.4.2024)