Seite:Dresdner Geschichtsblätter Erster Band.pdf/171

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Im Jahre 1705 suchte Winkler ein Stück Land, das vor dem ersten Portal des Großen Gartens einen freien Raum zum Eingang bildete, an sich zu ziehen, als ob es zu den Zinzendorff’schen Gütern gehörte. Die Regierung mußte ihn unter Hinweis auf die gänzliche Hinfälligkeit dieses Vorgebens erst nachdrücklich in seine Schranken zurückweisen. Eine Quelle endloser Streitigkeiten bildete auch die Steuerfrage. Die Steuerbefreiung nämlich, mit der Johann Georg III. 1688 die Gräfin sowie zugleich auch „ihre Nachkommen und künftigen Besitzer“ begnadet hatte, ward unter dem bürgerlichen Besitzer entgegen dieser ausdrücklichen Verbriefung und trotz des nachhaltigsten Widerstandes Winklers durch Verfügung vom 30. März 1720 wieder aufgehoben. Der Rath deutete das der Gräfin verliehene Privileg so, „daß es ultra descendentes primi gradus nicht zu extendiren sei“ und das kurfürstliche Obersteuerkollegium schloß sich dieser Auffassung an. Jedoch zahlte Winkler nicht; er starb darüber. Seine Wittwe Clara Sophia geb. Zschimmer berichtigte, nachdem ihr mit militärischer Exekution gedroht worden war, wenigstens die laufenden Jahresbeträge. Die alten Steuerreste, die mehrere hundert Thaler ausmachten, vermochte sie nicht zu tragen und reichte deshalb ein Gesuch um Erlaß derselben an den König ein. Schließlich deckte der nächste Besitzer diesen Rest in und mit der Kaufsumme: nur die Jahre 1703-1714 erließ der König in Rücksicht auf die Armuth der Winkler’schen Erben, damit der Kauf zu Stande käme.

Denn in der größten Dürftigkeit lebten die Wittwe und die verheirathete Tochter Winklers. Trotz seiner Bemühungen, das Grundstück möglichst auszunutzen, scheint Winkler nur rückwärts gekommen zu sein, wahrscheinlich in Folge der kostspieligen baulichen Umgestaltungen. Die Wittwe klagt in ihrem Gesuch um Steuererlaß 1738 über die vielen Schulden, die das Grundstück belasten, und über die schlechte Nutzung desselben. Die über die Nutzung angestellte Untersuchung ergiebt folgendes: Die Gastwirthschaft mit dem Bierschank bringt jährlich 155 Thaler Pachtgeld; die Nutzung vom Waschhaus bringt wöchentlich ungefähr 2 Thaler; 20 Wohnungen sind vermiethet und tragen einen Miethsins von zusammen ziemlich 300 Thalern, wovon aber die Hälfte theils aus Bosheit, theils aus Armuth unbezahlt bleibt. Es waren also die Bewohner meist Leute aus den untersten Ständen. Der Krätzgarten ist für jährlich 30 Thaler verpachtet; Viehzucht, Ackerbau, Obst- und Grasgarten hat die Besitzerin selbst; 12 Scheffel Korn und 13 Scheffel Gerste sind ausgesät; 2 Pferde, 7 Kühe und 1 Ziege bilden den Viehstand. Feld und Wiese, zusammen 30 Morgen, sind in dieser Gegend noch die besten, obgleich’s an Dünger fehlt; die Gebäude sind ziemlich baufällig. 5400 Thaler Schulden ruhen auf dem Grundstück.

Die ärmlichen Verhältnisse der Winkler’schen Erben werden auch auf die Veräußerung des Grundstücks hingedrängt haben. Am 26. Januar 1742 verkaufte Frau Maria Sophia Zaulich geb. Winkler den Garten mit allem, was dazu gehörte, an den Festungsmaurermeister Gottfried Findeisen für 10 000 Thaler. Ziemlich 9200 Thaler alte Schulden waren vorhanden und wurden durch die Kaufsumme gedeckt: für die Verkäuferin blieb also herzlich wenig übrig. Der hier gezahlte Kaufpreis ist äußerlich dem von 1703 gleich, steht aber thatsächlich weit über ihm, da der Kaufgegenstand durch die Veräußerung des Feldbesitzes sehr bedeutend geschmälert worden war. – Der neue Besitzer verstand sich dazu, alle von Winkler und dessen Erben bisher erhobenen Einwendungen gegen die Steuerverpflichtung fallen zu lassen.

Während Findeisen im Besitz des Zinzendorff’schen Gartens war, zog der siebenjährige Krieg mit seinen schweren Leiden und Verwüstungen über Dresden hinweg. Auch das Zinzendorff’sche Gartengrundstück trug seinen vollwichtigen Theil an der allgemeinen Noth. Im November des Jahres 1758, nach dem siegreichen Ueberfall von Hochkirch, ging Generalfeldmarschall Daun mit Entschiedenheit ans Werk, die von den Preußen unter Graf Schmettau besetzte sächsische Hauptstadt dem Feind zu entreißen. Am 9. November leitete die österreichische Armee einen ernsthaften Angriff auf die Stadt vom Großen Garten her ein. Es fanden Scharmützel statt: im Zinzendorff’schen Garten waren vier preußische Geschütze aufgestellt, die die Flanke der Oesterreicher beschossen. Da Graf Schmettau fürchtete, die Pirnaische Vorstadt, die er wegen ihrer hohen Häuser für einen günstigen Stützpunkt zu einem Angriff auf die Festung hielt, dem andrängenden Feind gegenüber nicht halten zu können, so ließ er sie am frühen Morgen des 10. November durch Pechkränze in Brand stecken. 292 Häuser wurden ein Raub der Flammen, darunter auch die Gebäude des Findeisen’schen Grundstücks. Der preußische Kommandant hatte seinen Zweck mit dieser Gewaltthat erreicht: Daun erkannte, daß der Vertheidiger der Festung den letzten Mann und das letzte Haus aufopfern würde, und stand, um nicht die Residenz des verbündeten Monarchen vernichten zu müssen, am 16. November von der Belagerung ab. – Zwei Jahre später, als die Preußen die nun von den Oesterreichern besetzte Stadt belagerten, waren bei dem Zinzendorff’schen Garten preußische Batterien aufgepflanzt, die ihre Feuerschlünde auf die Stadt entluden.

Wie weit sich die Zerstörung der Gebäude durch den Brand von 1758 erstreckte und wann die in Asche gelegten Gebäude wieder aufgebaut wurden, ist nicht bekannt. Durch Findeisen selbst geschah die Wiederherstellung

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/171&oldid=- (Version vom 30.4.2024)